200.000 Autos im Jahr, aber keine eigene Marke.




In Graz steht eines der großen Automobilwerke in Europa. Es gehört zu Magna, und fertigt ausschließlich für andere Marken. Bis zu gut 200.000 Autos verlassen jedes Jahr die Bänder, und 3.000 Prototypen. Letztere beenden ihr kurzes Leben meist in einer Crashanlage: Belohnung sind die begehrten NCAP-Punkte für die Sicherheit.

 

321 Produktionsstätten in aktuell 29 Ländern, 102 Entwicklungsstandorte und außerdem rund 159.000 Mitarbeiter: „Wir sind weltweit führender markenunabhängiger Engineering- und Fertigungspartner für weltweite Automobilhersteller“, wirbt Magna auf seiner Homepage. Die Liste der Auftraggeber kann sich sehen lassen, Aston Martin war schon dabei, Saab, Chrysler. VW mit dem Golf 2 Country und dem T3-Transporter 4x4. Aktuell baut man für BMW den neuen 5er, für Mercedes seit 38 Jahren das G-Modell, im nächsten Jahr kommt Jaguar hinzu mit seinem ersten E-Modell, dem I-Pace. „Zwei Drittel aller Neuvorstellungen von 2017 bis 2019“, freut sich Gerd R. Brusius, Vizepräsident für Verkauf und Marketing, „werden Teile von Magna haben“.

 

Magna entwickelt nicht nur, sondern sorgt auch für die Produktion. Bevor man selbst oder ein anderer Hersteller eine Produktionsstraße aufbaut, wird „virtuell“ geprobt, auch in Zusammenarbeit mit Robotern. Gecheckt wird z.B., ob sich bei der Montage alle Teile problemlos greifen lassen, ob genügend Platz ist für den Einsatz von E- oder Druckluftschraubern, ob nicht die komplette Karosserie gedreht oder gekippt werden sollte, um den Mitarbeitern ermüdende Überkopfarbeit zu ersparen. Kostspielige Korrekturen nach dem Aufbau der Montagelinie werden vermieden, der Produktionsanlauf neuer Modelle vereinfacht.

 

Spezialisten entwickeln dabei immer wieder Lösungen, die revolutionär anmuten. Für ein künftiges Ford-Modell entwickelte Magna einen völlig neuen Unterbau für den Vorderwagen. Statt bisher aus 45 besteht er nur mehr aus 2 Formteilen aus Karbonfaser-verstärktem Kunststoff sowie 4 Stahlteilen. Das Ganze bedeutet bei mehr Stabilität 82 Prozent weniger Teile und 34 Prozent weniger Gewicht (9,3 kg). Bei Karosserien arbeitet Magna daran, Alu und Stahl mittels Punktschweißungen miteinander zu verbinden. Solche Multi-Materialien sind leicht sowie stabil, und erfordern keine neue Karosserierohbau-Ausrüstung.

 

Das Ganze wird nicht nur entworfen, berechnet und gebaut, sondern auch erprobt. Magna-Prototypen rollen Millionen Kilometer im Jahr. Die geländegängigen unter ihnen werden wieder und immer wieder auf den „Schöckl“ getrieben. Das ist der Grazer Hausberg mit Gipfelkreuz (1.445 m), Bilderbuch-Rundumsicht und uriger Einkehr-Hütte. Hier quälen viele Testfahrer immer wieder neue Allradtechnik, oft versteckt in einem ganz normal aussehenden Mercedes G-Modell.

 

Dieses G-Modell baut Magna seit 38 Jahren, auch in Parallelversion mit dem Namen Puch. Spartanische Militärausführungen mit Vierzylinder-Diesel, Handschalttechnik und Kurbelfenstern sind genauso dabei wie mit Elektronik vollgestopfte AMG-Modelle mit feinem Leder und 5,0-Liter Achtzylinder. Karosserien, Achsen, Getriebe, Stoßdämpfer, die mal um mal diese 3 Kilometer lange „Schöckltherapie“ überstehen, lassen sich dann später auch auf hunderttausenden Kilometern auf Feldwegen und auf der Straße nicht wirklich klein kriegen.

 

Zum bis heute legendären G-Modell gesellte sich von 1971 bis 2000 der „Pinzgauer“, das einzige Vehikel, das neben dem Puch-G den eigenen Namen trägt. Nur indirekt: Der Militärtransporter mit 6x6-Antrieb wurde von Puch konstruiert, trägt also das runde Emblem auf der Haube, das grün-weiß von Ferne an den BMW-Propeller erinnert. Und in Österreich kennt man den „Haflinger“ noch, einen ebenso winzigen wie talentierten kleinen Transporter mit Allradantrieb. Von 1959 bis 1974 gebaut, war er nicht nur im heimischen Heer verbreitet, auch bei den Gebirgsjägern in der Schweiz, in Indonesien und Australien.

 

Puch gehörte in den ersten Dekaden des letzten Jahrhunderts u.a. mit Austro-Daimler und Steyr zu den Motor-Pionieren in Österreich. In den 1930igern fusionierten die Unternehmen zu Steyr-Daimler-Puch. Nach dem II. Weltkrieg baute Puch heute noch berühmte Motorräder. Und den Steyr-Puch 650: Unter diesem Namen verwandelten die Österreicher in den 60igern den braven Fiat 500 in eine regelrechte Rennsemmel. Statt des originalen Zweizylinders mit 500 Kubikzentimetern Hubraum und 16 PS pflanzten sie ihm den Boxer aus dem „Haflinger“ ein, luftgekühlt und als Zweizylinder, aber mehr Hubraum und 25 PS. Er ließ das Auto satte 112 km/h erreichen statt der 100 km/h beim Original. Auch ein VW Käfer, 1961 mit 34 PS, erreichte gute 115 km/h. (ampnet/TX)