Bentley Bentayga: Der ungewöhnliche Brite!


Ob die Schönen und Reichen bald die Wildnis als ihre neue Spielwiese entdecken, muss sich noch erweisen. Auf jeden Fall haben sie ab Januar 2016 das richtige Gefährt dafür: Dann kommt der Bentley Bentayga auf den Markt. Er soll keine Kompromisse eingehen, verspricht der Konzern, weder beim Luxus, noch bei der Geländetauglichkeit.

Bentley Bentayga

Bentley


Die „First Edition“ ist längst ausverkauft. Im Rahmen eines exklusiven Abendessens wurden den handverlesenen Gästen quasi zum Dessert ein Kaufvertrags-Entwurf gereicht. Das Kontingent von 25 Exemplaren für den deutschen Markt war vor dem Hauptgang „gegessen“. Andere Feinschmecker müssen sich bis zu der Auslieferung ab 2016 gedulden.

 

Dass Bentley es auf Dauer den Nachbarn aus dem 70 Meilen entfernten Solihull überlassen würde, höchsten Komfort mit Offroad-Kompetenz zu verknüpfen, war nicht zu erwarten. Range Rover hatte bereits seit 1970 die Klasse der High-End-Allradler praktisch für sich gepachtet. Genauso sicher scheint es, dass es das neue Nobel-SUV mit dem geflügelten „B“ nicht gäbe, stünde nicht der mächtige VW-Konzern hinter der britischen Marke. Im Verbund lassen sich Entwicklungskosten ideal mindern, Audi Q7 sowie Porsche Cayenne standen teilweise Pate.

 

Wichtiger ist es für Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer und Projektleiter Peter Guest, die Eigenständigkeit und das Unverwechselbare des neuen Bentayga hervorzuheben. Da ist der Antrieb zu nennen, den es so weder aus Zuffenhausen noch aus Ingolstadt gibt. Der 6,0-Liter Zwölfzylinder-Motor, gebaut in der Platz sparenden W-Form, leistet 608 PS. Von zwei Turboladern zwangsbeatmet kann er ein max. Drehmoment von 900 Nm mobilisieren. Diese Durchzugskraft gibt für das Team die Rechtfertigung, auf die sonst zum Nachweis der Geländetauglichkeit übliche Getriebe-Untersetzung zu verzichten. Das neue Aggregat verfügt dafür über eine Zylinderabschaltung, die in bei geringer Last zum Sechszylinder macht.

 

Bei der Präsentation ist es Wolfgang Dürheimer anzumerken, wie sehr es ihn erfreut, vor allem sein Projekt durchgesetzt zu haben. „Wir freuen uns darauf, dass wir Kunden, die jahrelang andere SUV fahren durften, mit einer einzigartigen Lösung von Bentley begeistern können“, sagte er in einen Interview. „Anscheinend hat unser Konzept, das am Anfang nicht unumstritten war, letztlich doch einige unserer Mitbewerber dazu motiviert, ähnliches zu tun. Wir sehen in diesem interessanten Segment einen sportlichen Wettbewerb auf uns zukommen“.

 

Sportlichkeit war immer das Kennzeichen der Bentley-Produkte und so überrascht es nicht, dass der Bentayga binnen drei Monaten noch einen erstaunlichen Zuwachs an Höchstgeschwindigkeit erlebte. Im Juli war in einem kleinen Kreis von Bentley-Vertretern und Journalisten die Frage nach dem Maximal-Tempo mit 290 km/h beantwortet worden, kurz vor der IAA, wo die Öffentlichkeit das SUV erstmals sah, lautete der Wert plötzlich 301 km/h. Ein Wert, der laut Entwicklungschef Rolf Frech „noch besser zur Marke passt“. Dass in Regionen jenseits von 250 km/h ein erheblicher technischer Aufwand nötig ist, um minimale Steigerungen zu generieren, weiß jeder, der nur Grundkenntnisse in Aerodynamik besitzt.

 

Seidig schnurren die Kolben durch die Halbliter-Brennräume, wenn der Gasfuß Zurückhaltung übt. Die akustische Abschottung gelingt nahezu perfekt. Das Abrollgeräusch von 22 Zoll-Reifen ist nicht zu filtern, sind sie doch die einzige Kontaktstelle der Mitfahrer mit der sie umgebenden Realität. Willig befördern die 48 Einspritzdüsen bei Anforderung Gemisch in die Zylinder, die 8-Gang-Automatik hat unterdessen zwei oder sogar drei Stufen zurückgeschaltet, der 2,4-Tonner schießt mit einer Energie vorwärts, dass es eine wahre Pracht ist. Den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h erledigt er nicht langsamer als der neue Porsche 911. Einzig der von Motor und Abgassystem erzeugte helle und hohe Klang will nicht recht zum souveränen Auftritt passen. Tiefer, voller und sonorer sollte das Organ solch eines Schwerathleten sein, die souveräne Performance verlangt ein akustisches Pendant. Nur im Sport-Modus entwickelt der Auspuff eine bassige Stimmlage. Das passt doch!

 

Die Lizenz zum Kraxeln liefert die serienmäßige Luftfederung. Sie kann die Karosse bis fast 300 mm über Grund aufpumpen, was Sicherheit im Gelände verleiht, selbst die relativ großen Karosserieüberhänge fallen da nicht mehr störend ins Gewicht, wie die Testfahrt eindrucksvoll bewies. Neigungswinkel von über 25 Grad in jede Richtung könnten höchstens für die Passagiere zum Problem werden, der Bentayga wühlt sich ganz problemlos aus manch misslich erscheinender Lage im Gelände heraus.

 

Die Gewichtsverteilung von 56:44 zwischen Vorder- und Hinterachse erlaubt ein ausgewogenes, neutrales Fahrverhalten. Dass vom Head-up-Display bis zur Einpark-Automatik, von der Kameraüberwachung bis zum WLAN-Hotspot alle neuen sowie wichtigen Sicherheits-, Assistenz- und Komfort-Features verfügbar sind, darf als selbstverständlich angesehen werden. „Luxus“, so fasst es Wolfgang Dürheimer zusammen, „muss nicht aufhören, wenn die Straße es tut“. Stimmt... (ampnet/SW)