BMW M5: Bayrischer Kurvenräuber mit Allrad!


Wenn es im Sportwagenbau ein ehernes Gesetz gibt, dann dieses: Das Nachfolgemodell muss immer ein bisschen mehr Leistung haben als der Vorgänger. Bei BMW scheint dies nicht mehr zu gelten. Mit 600 PS ist das neue Modell „nur“ so stark wie das 2014er Sondermodell „30 Jahre M5“. Dennoch findet Verwegenes statt: Der M5 ist jetzt ein Allradler!

BMW M5

Damit Traditionalisten, für die sportliches Autofahren nach dem Prinzip „Motor vorn und Schub hinten“ funktionieren kann, nicht von der Fahne gehen, legt BMW die Beantwortung der Antriebsfrage in die Hände des Fahrers oder der Fahrerin: Unter allen wählbaren Modi ist auch eine 2WD-Einstellung, mit der 100 Prozent Leistung zur Hinterachse gehen. Überhaupt bietet auch dieser M5 wieder die Chance, sich viel Zeit für die Einarbeitung zu gönnen, um aus der Fülle von Einstellmöglichkeiten für die Kennlinien von Gas, Lenkung sowie Dämpfern ein individualisiertes Profil zu bilden. Oder man fährt ihn so, wie er ist...

 

117.900 Euro werden fällig, das M Track-Pack ist hier noch nicht einmal enthalten. Wer also auf Karbonbremse, Karbon-Motorabdeckung und das M Drivers-Package nicht verzichten will, bekommt 11.250 Euro extra in Rechnung gestellt. Letzteres ist gut angelegtes Geld, denn es besitzt außer der Anhebung der Höchstgeschwindigkeit auf 305 km/h (normal 250 km/h) auch ein Fahrertraining. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass sich M-Piloten für ausreichend erfahrene Sportwagen-Lenker halten: Nur ein Teil dieser Kunden nimmt das angebotene Training in Anspruch.

 

Auch wenn es bereits einen gleich starken M5 gab, trägt das neue Auto dem Wunsch nach „mehr“ umfassend Rechnung. Das vom Hersteller M xDrive titulierte Antriebskonzept verwirklicht nach Worten von Frank van Meel, dem Chef der M-GmbH, „spezifische Software für die integrierte Regelung von Längs- und Querdynamik“. Dass Allrad Traktionsvorteile bietet, ist inzwischen auch dem automobilen Laien klar, im Falle des M5 würden damit aber „Agilität und Präzision des Standardantriebs mit der Souveränität und Traktion des Allrads kombiniert“.

 

Statt bei 7.200 Umdrehungen, wie beim Vorgänger, gibt das aktuelle Twin-Turbo-Aggregat seine max. Leistung bereits zwischen 5.600 und 6.700 Kurbelwellen-Rotationen ab, das Drehmoment stieg gleichzeitig auf 750 Nm. Um diese Schubkraft freizusetzen, reicht schon ein lascher Gasfuß aus, denn ab 1.800 Touren haben die Turbinen den vollen Druck aufgebaut. Dies und der Traktionsgewinn durch Allradantrieb bewirkt das „mehr“ bei der Beschleunigung: Nach 3,4 Sekunden passiert die Nadel die 100 km/h-Markierung. Im 33. Jahr seiner Existenz untermauert der M5 so erneut die These, dass ein alltagstaugliches Limousinenkonzept und stärkste Rundenzeiten auf dem Circuit keine Widersprüche sind.

 

Ebendort, auf dem Kurs von Estoril, wurde der Beweis dafür angetreten. Und wer es von den Testern nicht vorab schon wusste, konnte es am eigenen Leib erfahren, wie unmittelbar die Top-Speed auf der Geraden von jenem Tempo abhängt, mit dem man aus der letzten Kurve kommt. 250 km/h am Ende der Start-Ziel-Geraden sind da eher die Regel als die Ausnahme, die gut dosierbare Bremse vernichtet perfekt den Vortrieb, um nicht Bekanntschaft mit dem Kies zu machen.

 

Energische Lenkbewegungen vermögen den 1,9-Tonner ebenso wenig aus der Ruhe zu bringen wie plötzliche Lastwechsel. Mit dieser direkten Lenkung hat der Fahrer keine Mühe, den grollenden Boliden auf Kurs zu halten. Gegen die Wirkung der Zentrifugalkraft schützen passgenaue Sportsitze, die auf Wunsch, für 1.900 Euro extra, gegen M-spezifische Multifunktionssitze ausgetauscht werden können. Nach wenigen Runden wächst der Mut, die Eingriffsschwellen der Stabilitätssysteme zu senken und in ein Programm zu wechseln, das Drifts zulässt. Fortgeschrittene gönnen sich dann auch gern den 2WD-Modus, der beim Querfahren zwar die Reifen nicht schont, aber den Fahrspaß deutlich potenziert.

 

Ein „mehr“, das auf den ersten Blick nicht für Applaus aus der Öko-Ecke taugt, ist der Verbrauch des Power-Pakets. War der letzte „Standard“-M5 noch mit einem NEFZ-Mittel von 9,9 Litern angegeben, so nennt BMW diesmal 10,5 Liter je 100 km. Erklärt wird dies damit, dass der Wert nach den Bedingungen des neuen WLTP-Standards ermittelt wurde. Der ist deutlich näher an realen Fahrbedingungen dran.

 

Doch BMW traut den Kunden offenkundig zu, dass sie ihre Performance-Limousine im Normalbetrieb zurückhaltend und sittsam bewegen: Der Tank wurde auf 68 Liter verkleinert. Schließlich sollen bei konstant 90 km/h nur 8,2 Einheiten Sprit je Normstrecke durch die Einspritzdüsen zerstäubt werden. Der elektronisch geregelte 8-Gang-Automat stellt sich auf geringere Leistungsanforderungen umgehend ein und bietet in den Stufen 6 bis 8 längere Übersetzungen, die drehzahlmindernd wirken.

 

Traditionell bietet der BMW M5 nicht nur ein hohes Leistungs-, sondern auch ein umfangreiches Ausstattungsniveau an. (ampnet/TX)