Bristol 400 Cabriolet:


Nach Ende des II. Weltkriegs mischten ehemalige Flugzeugbauer in der britischen Automobilproduktion mit. Zu ihnen zählte die Bristol Aeroplane Company. Um Arbeiter und Angestellte nicht vor die Tür zu setzen, wurde eine Autoabteilung gegründet. Mit Aerodynamik und Maschinen kannte man sich aus, und schon im Krieg experimentierte man mit Autos.

Bristol 400 Cabriolet

1947 erblickte der erste Bristol mit zwei Achsen und vier Rädern das Licht der Welt. Er glich dem BMW 327, der bis 1941 in Eisenach gebaut wurde, bis aufs Haar.

 

Die bedingungslose Kapitulation der Deutschen war erst wenige Wochen alt, da begann Bristol, eng mit dem englischen Sportwagenproduzenten AFN Ltd. ( Adlington, Frazer-Nash) zu kooperieren. Von 1934 an hatte das Unternehmen die Exklusivrechte für den Import von BMW-Modellen für das gesamte britische Empire bekommen, was Bristol nun die Tür zu BMW-Konstruktionsplänen der Vorkriegszeit öffnete. Auf welche Weise diese legal den Ärmelkanal gequert hatten, ist bis heute umstritten...

 

Diebstahl in den Nachkriegswirren? Kriegsreparationen? Viele Historiker vermuten, dass BMW die Unterlagen aus Eisenach vor den Russen in Sicherheit bringen und sie lieber in westliche Hände geben wollte. Eine andere These besagt, dass BMW mit der Preisgabe der Pläne möglichst rasch die Erlaubnis zur Wiederaufnahme der eigenen Autoproduktion zu erhalten hoffte. Dafür spricht, dass die Münchner nichts einzuwenden hatten, dass Bristol bis weit in die 50iger die BMW-typische Doppelniere als Kühler verwendete, während sie gerichtlich verbieten ließen, dass im beschlagnahmten Werk in Eisenach weiterhin Autos mit dem Namen BMW produziert wurden.

 

Wie auch immer: Fest steht, Harold John Aldington, einer der Besitzer von AFN Ltd., hatte schon 1934 Lizenzen für BMW-Modelle erworben, die in Großbritannien als „Frazer-Nash BMW“ verkauft wurden. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Bristol und AFN nach dem Krieg konnte sich der Senior-Partner Bristol nun die Neuentwicklung eines eigenen Autos sparen. So stellte das Unternehmen bereits 1946 mit dem Bristol 400 einen ersten Prototyp auf die Räder. Ihm folgte ein zweiter mit der Fahrgestellnummer 400/1/102, reif genug für eine Präsentation auf dem Genfer Salon. Dieses Auto kaufte im Vorfeld Harold John Aldington.

 

Drängender Faktor vor und hinter den Kulissen und Käufer des ersten Bristol 400 war der Rennfahrer, Fahrzeughändler, Air Force-Pilot sowie Cambridge-Absolvent Tony Crook, später einige Zeit sogar Inhaber und Chef der Bristol Cars Ltd.

 

Während Tony Crook seinen Bristol in der Garage einsperrte, zeigte Harold John Aldington seinen in Genf. Der Reihensechszylinder fußte auf einer BMW-Konstruktion aus den späten 1930igern, welcher für den BMW 328 entwickelt worden war: 2,0-Liter, 75 PS, 160 km/h. Das Cabrio war Ende 1946 bei Pininfarina in Turin entstanden und trug zunächst den Namen Fraser Nash Bristol. Erst viel später, als sich die beiden Firmen wieder trennten, hießen die Nachfolgemodelle dann Bristol 2 Litre.

 

Harold John Aldington besaß nicht nur einen Direktorenposten, sondern zeichnete sich darüber hinaus als starker Rallyefahrer aus. Mit seinem Bristol belegte er 1948 sowie 1949 bei einigen Wettbewerben vordere Plätze, 1949 war sein Wagen bei der „Alpine Rally“ der einzige Bristol, der ohne Blessuren das Ziel erreichte. Später vervollständigte das Auto die Sammlung eines britischen Exzentrikers, der Prototypen und etwas andere Fortbewegungsmittel schätzte. Er benutzte das Auto für tägliche Fahrten wie für Wettbewerbe. 1989 war eine Verjüngungskur für den Bristol 400 überfällig. Doch kurz nachdem er bei Spencer Lane-Jones, dem renommiertesten Bristol-Restaurator auf der Insel angekommen war, segnete seinen Besitzer das Zeitliche. Jetzt kaufte Christine Lane-Jones, die finanzkräftigen Mutter des Restaurators, den Oldtimer. Hier verbrachte er die folgenden 10 Jahre und wurde nach und nach unter der Maßgabe „Geld spielt hier keine Rolle“ in einen absolut neuwertigen Zustand zurückversetzt…

 

Erneut fand ein Besitzwechsel statt, diesmal an einen Amerikaner. Und wieder wurde der Wagen bewegt und lernte Straßen in Europa ebenso kennen wie Highways in den USA. Kein Wunder, dass der Bristol 400 danach eine Reihe von Preisen bekam und gern gesehener Gast war, wie etwa beim Villa d’Este Concours d’Elegance am Comer See...

 

2016 fand erneut ein Besitzerwechsel statt. Bei einer Versteigerung von Sotheby's in Monte Carlo wurden 224.000 Euro für den Wagen bezahlt. Das Auktionshaus bewarb das Auto so: „Der historisch einmalige Wagen verhalf einer wichtigen britischen Marke zum Erfolg. Sein Design und seine Geschichte wird dem wahren Kenner den Weg zum Eintritt in die exklusivsten Veranstaltungen klassischer Fahrzeuge ebnen“. Oder eben zu einer deutschen Marke. (SW)