Das Raubtier aus den USA.




„Hellcat“ ist eine Wortschöpfung aus den USA, so hieß u.a. ein leichter Jagdpanzer. Jetzt hören zwei Erzeugnisse des Fiat-Chrysler-Konzerns auf diese Bezeichnung. Man sollte sie sich merken. Die Vorgabe war ambitioniert: Es ging den Chrysler-Ingenieuren darum, im herrschenden PS-Krieg der USA den unangefochtenen Sieg davonzutragen...

 

Und so mussten die Ingenieure nicht nur die eigene Viper übertreffen, sondern auch den Chevrolet Camaro ZL1 und Z/28, den Ford Mustang in seinen leistungsstärksten Varianten, und nebenbei auch den Nissan GT-R, der in den USA übrigens Kultstatus genießt.

 

Insider haben im Laufe des letzten Jahres Gerüchte gestreut, in denen von deutlich über 600 PS die Rede war. Das war vornehm untertrieben, und ist so ziemlich die einzige Untertreibung, die mit diesem Fahrzeug in Verbindung gebracht werden kann. 717 PS sind es also geworden, aus einem 6,2-Liter Hemi-V8, der von einem IHI-Kompressor zwangsbeatmet wird. Das max. Drehmoment liegt bei brutalen 881 Nm. Die Leitungen für den Kraftstoff sind 1,3 Zentimeter dick. Eine Direkteinspritzung musste verworfen werden, weil es noch keine Hochdruckpumpen gibt.

 

Dodge bietet das gewaltige Triebwerk sowohl im Challenger als auch in der Limousine Charger an. Wir haben den Challenger nun getestet. Das ausladende Coupé mit seinem etwas schwülstigen Hüftschwung gefällt uns besser; beim Charger stellen sich unweigerlich Assoziationen an martialisch aufgedonnerte Polizeiautos ein. Und diese Fahrzeuge, egal wo, sind die natürlichen Feinde jedes „Hellcat“.

 

Man kann viel anstellen mit diesem Coupé. Beispielsweise kann man sich morgens bei ungeliebten Nachbarn revanchieren, man sollte aber nur diese in der direkten Umgebung haben. Der HEMI-V8 bellt bei dem Kaltstart derart aggressiv los, dass im Umkreis eines Blocks niemand mehr einen Wecker braucht. Ein Druck auf den Knopf genügt.

 

Dabei kann der „Hellcat“, einen eher vorsichtigen Gasfuß vorausgesetzt, zahm wie eine Hauskatze auftreten. Die verstärkte 8-Gang-Automatik, es gibt auch ein 6-Gang-Schaltgetriebe, agiert weich und relativ diskret. Nur ein wenig mehr Gas, und eine wahrhaftige Leistungsexplosion, die nach ihresgleichen sucht, wird entfesselt. Das Heck wird leicht, beschleunigt wie auf Eis, und wenn sich die 275er-Reifen erst einmal in den Asphalt gekrallt haben, hält praktisch niemand mehr mit, selbst die genannte US-Konkurrenz nicht. Die 100-mph-Marke, das entspricht 160 km/h, fällt in rund acht Sekunden. Über dieser Marke verwandeln sich in vielen US-Staaten die Strafzettel für zu schnelles Fahren in „reckless driving“. Am Steuer empfiehlt sich deshalb abseits der Rennstrecken erbarmungslose Askese. Wer es riskieren will, erreicht 320 km/h.

 

Dabei kann der Dodge Challenger Hellcat mit der Leistung gut umgehen, sofern man sie eben auf die Straße bringt. Das Fahrwerk, das in seinen Grundzügen noch von der Mercedes E-Klasse aus den 90iger Jahren abgeleitet ist, wurde massiv für den „Hellcat“ versteift. Und Dodge hat noch einmal die hydraulische Servolenkung extra ausgepackt, während bei den schwächeren Varianten eine elektrische Servolenkung verbaut wird. Unter den schwarzlackierten 20 Zoll-Felgen des Challenger Hellcat steckt eine bissig zupackende Hochleistungs-Bremsanlage.

 

Das Interieur wurde moderat angepasst. Noch immer sitzt man recht tief eingemauert in dem großen Coupé, das Lenkrad ist eigentlich deutlich zu groß geraten, und die vier Fahrzeugecken lassen sich oftmals nur ungefähr erahnen. Auf dem Zentralbildschirm lassen sich verschiedene Fahrzeugmodi gezielt einstellen; es gibt sogar, und dabei muss es sich um einen Witz handeln, eine „Eco“-Einstellung.

 

Nicht einmal 60.000 US-Dollar (aktuell 47.700 Euro) kostet der Dodge Challenger Hellcat, geradezu ein Schleuderpreis für ein derart starkes Coupé. Schade, dass er in seiner amerikanischen Heimat kaum in die Außenbezirke seiner rasant  fahrbaren Möglichkeiten gebracht werden kann bzw. darf. Aber vielleicht erbarmen sich europäische Importeure des kaum gezähmten Raubtiers. Es braucht richtig Auslauf. (ampnet/TX)