Delage:


Der automobile Mensch ist eine tief in sich gespaltene Persönlichkeit. Er sucht ständig nach technischen Lösungen, schwärmt vom E-Antrieb oder Vernetzung, und denkt über autonomes Fahren nach, während er sich in der Tiefe seines Herzens gleichzeitig in eine Zeit zurücksehnt, als Pkw vergleichsweise einfach gestrickte Modelle mit leichter Mechanik waren.

Delage

Die damals von Designern erdachten Formen bringen ihn heute zum Schwärmen und lassen das moderne Blech samt elektronischer Helfer verblassen. Keine Frage, die in Ehren ergrauten Altwagen besitzen eine Ausstrahlung, die immer mehr Menschen in ihren Bann zieht.

 

Die Mutter aller Oldtimer-Messen ist für die Freunde edlen Altmetalls seit 41 Jahren die Rétromobile auf dem Pariser Messegelände an der Porte de Versailles. Rechtzeitig vor dem Start in die Saison im Frühjahr trifft sich die Szene (8. - 12.2.2017) in der französischen Hauptstadt. Hier kann auf Hochglanz poliertes Blech ebenso bewundert werden wie das eine oder andere lange vermisste Teil gesichert werden. Einst als eine Art gehobener Flohmarkt für Ersatzteile gestartet, hat sich die Messe in den letzten Jahren zu einem Mix aus Szenetreff und Selbstdarstellung der wichtigen Hersteller entwickelt. Neben den aufwändigen Ständen der üblichen Verdächtigen behaupten sich zum Glück noch die Markenclubs.

 

Genauso bunt wie die Stände ist aber auch das Publikum. Neben dem Hobbyschrauber, dessen Hände die Arbeit an der Mechanik spiegeln, und der hofft, für kleines Geld ein bestimmtes Teil zu finden, sondiert der Jäger sowie Sammler auf der Suche nach automobilen Raritäten die Auslagen, und Mister Superreich durchmisst im Maßanzug gelassen die Ausstellung, um im abgeschirmten Bereich beim Auktionshaus Artcurial die eine oder andere Rarität zu ersteigern, wobei Geld hier keine Rolle spielen darf. Auch in diesem Jahr werden die angebotenen automobilen Juwelen mit Sicherheit Millionenbeträge erlösen. Im Mittelpunkt: Talbot Lago (1936), Bugatti Atalante (1935) und Ferrari Dino (1965).

 

Abgeschirmt vom Fußvolk trifft sich der automobile Hochadel auf dem Stand des Auktionshauses und schlendert, Champagner schlürfend, an den Objekten der Begierde vorbei. Den Herrschaften entgeht allerdings dabei der wahre Charme der Rétromobile. Der erschließt sich am Rand der Ausstellung, wo sich die Duftnoten aus altem Blech, Papier, Gummi und Öl zu einem ganz besonderen Parfum mischen. Alte Prospekte von längst untergangenen Marken suchen hier ebenso ihren Liebhaber wie Schlüsselanhänger, alte Blechreklameschilder, Öldosen, Spielzeugautos und Ersatzteile mit mehr oder weniger deutlichen Gebrauchsspuren. Hier ist die Altmetallbande unter sich, laut gefeilscht, Geschichten erzählt und bei dem einen oder anderen Bierchen sehr viel Autolatein ausgetauscht.

 

Den Machern der Rétromobile gelingt es immer wieder, Schwerpunkte zu setzen. Waren es noch vor Jahren die Luxuskarossen der indischen Maharadschas, so feiert die Messe nun 70 Jahre Ferrari. Am 12. März 1947 verließ der erste Ferrari-Rennwagen die Fabrik. 2 Monate später siegte der 125 S mit Franco Cortese hinter dem Lenkrad beim Grand Prix von Rom. Dem ersten Rennwagen folgte bald der erste Sportwagen für die Straße, und damit begann der andauernde Mythos.

 

An der Seine stehen nun einige einmalige Ikonen der Firmengeschichte, wie der 166 Mille Miglia, der 1949 die ersten 24 Stunden von Le Mans nach dem Krieg gewann, oder der 250 LM, das erste Mittelmotor-Modell der Marke. Ebenfalls aus der Sammlung Schlumpf stammen die 250 LM Berlinettta aus dem Jahr 1965 und auch der Monoposto 312 B (1970).

 

Die Rétromobile ist eine französische Messe, deshalb stehen regelmäßig Marken der Grande Nation im Mittelpunkt. In diesem Jahr werden daher in der Abteilung Youngtimer die Turbomodelle aus dem Hause Renault gefeiert. Außerdem rückt eine inzwischen zu Unrecht vergessene Marke ins Scheinwerferlicht. Delage war bis in die 1930iger ein renommierter Hersteller sportlicher und luxuriöser Modelle, für den nach dem Krieg kein Platz mehr auf den Straßen war. 1953 wurde der letzte Pkw gebaut. In Paris stehen nun zum ersten Mal 6 außergewöhnliche Boliden aus den 1920/30igern zusammen. Angetrieben wurden die Rennwagen von einem 1,5-Liter Reihen-Achtzylinder, der über 100 PS leistete und bis auf 8.500 Umdrehungen gebracht werden konnte. Zunächst entstanden von diesem Boliden 4 Exemplare und zudem 5 Motoren. Erst 1936 folgten die Fahrzeuge 5 und 6, die für den damals erfolgreichen thailändischen Privatfahrer Prinz Bira in dessen Auftrag aufgebaut wurden.

 

Die letzten Delage aus dieser Miniserie wurden bis Anfang der 1950iger Jahre eingesetzt und fuhren damals mit den ersten Ferrari Monoposti um den Sieg. Das exklusive Sextett überlebte, doch wurden die Modelle nie zusammen gezeigt. Das gelang nun den Retromobie-Machern. (ampnet/SW)