Der Multimillionär wird dynamischer.




Als „Meisterwerk der Intelligenz“ tituliert Mercedes seine überarbeitete E-Klasse, dabei ist sie noch etwas wichtigeres: Das Kernmodell der Marke schlechthin. Deshalb haben sich die Entwickler sehr viel Mühe gegeben, um den Erwartungen der traditionell eher konservativen Kundschaft zu entsprechen und gleichzeitig den Sprung in die Zukunft zu schaffen.

 

Von außen ist die Modellpflege so umfangreich ausgefallen, dass man beinahe von einer neuen Generation sprechen kann: Scheinwerfer und Kühlergrill sind neu geformt, das Heck präsentiert sich sogar in komplett neuem Look: Die Leuchten wandern von Vertikal nach Horizont, womit die vom früheren Chefdesigner Bruno Sacco definierte „vertikale Modell-Affinität“ von der A-Klasse bis hin zur neuen S-Klasse sichergestellt ist.

 

Vorn setzt Daimler auf eine Vielzahl unterschiedlicher Ausprägungen des Kühlergrills. Die Basis verfügt nunmehr über den Zentralstern, einstiges Merkmal der Sportwagen, positioniert auf eleganten, vertikalen Lamellen. Darüber rangiert die „Exclusive“-Linie, bei der der Stern weiterhin auf der Haube thront, sichtbar im Blickfeld des Fahrers. Die „AMG Line“ profiliert sich mit dem Diamant-Grill und Zentralstern, während der vom T-Modell abgeleitete Crossover namens All-Terrain ein eher rustikales Design mit kantigen Perforationen aufweist. Und dann gibt es außerdem auch noch die Spitzenmodelle AMG E 53 und E 63, die zu einem späteren Termin kommen und mit glänzenden Vertikalstreben erneuten Biss zeigen.

 

Während die Karosseriemodifikationen unübersehbar sind, halten sich die Änderungen im Interieur in Grenzen. Die analoge Instrumentierung entfällt, jetzt haben schon die Einstiegsmodelle die digitalen Bildschirme.

 

Mit dem neuen Comand-System debütiert eine neue Generation beim Infotainment, die nun schneller und präziser funktioniert. Die Bedienung erfolgt wahlweise über berührungsempfindliche Flächen im Lenkrad, per Gestensteuerung, per Spracheingabe oder über ein zentrales Touchpad. Einige Testwagen verfügten übrigens anstelle des Touchpads über den bewährten, schon verloren geglaubten Dreh-Drück-Steller, die weitaus bessere Lösung. Denn während der große Drehknopf präzise und mit feinem Klicken einrastet, ist es beim Touchpad praktisch unmöglich, auf Anhieb in der richtigen Zeile oder im richtigen Kartenmaßstab zu landen; das Auf- und Zuschieben, das Hin- und Herwischen führt selten direkt zum gewünschten Erfolg. Das Touchpad sieht gut aus, ist aber funktional ein Rückschritt und lenkt ab. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass Daimler dem Kunden noch lange die Wahl zwischen beiden Systemen lässt.

 

Zu gewöhnungsbedürftig ist die Sprachausgabe, denn mit der neuesten Generation des MBUX-Systems wird man ganz ungeniert geduzt. Das System kann fast 30 Sprachen, aber ein „Sie“ fehlt in der Muttersprache!

 

Das würde auch besser zum edel gestalteten Interieur passen, das sich durch die geschmackvolle Kombination von Holz oder Metall und Leder auszeichnet. Die Sitze vorn und hinten sind sehr bequem und absolut langstreckentauglich. Der Blick fällt auf metallbeschichtete Elemente und einen eleganten, rahmenlosen Innenspiegel. Die bisher so hochwertig wirkende Analoguhr ist allerdings entfallen. Und die Vorderkante des Rollos, mit dem sich das Panoramadach perfekt verbergen lässt, würde hochwertiger wirken, wenn sie wie bei vielen Konkurrenzmodellen mit Metall beschlagen wäre. Doch das sind fast unwichtige Kleinigkeiten.

 

Unter der Haube hat sich viel ereignet, es kommen eine ganze Reihe neuer Motoren zum Einsatz. Die Palette ist breitgefächert und wird vom 150 PS starken Vierzylinder-Diesel über jene komplett neuen Reihen-Sechszylinder bis hin zum handgefertigten, 650 PS starken V8-Motor im AMG E 63 S, reichen. Besonders empfehlenswert sind die bärenstarken und sanften Sechszylinder-Diesel. Wer aus steuerlichen Gründen auf einen Plug-in-Hybrid Wert legt, diesem sei der 300 de auf Basis des 2,0-Liter Diesel ans Herz gelegt. Diese Aggregat-Kombination geht nicht nur recht stürmisch an sein Werk, sondern es bleibt auch dieser Schock aus, der manchen Fahrer ereilt, dessen Plug-in mit Benziner ausgerüstet ist.

 

Beim Fahrwerk gibt es mehr Auswahl als praktisch sonst: 4 Stück stehen zur Auswahl, darunter eine Drei-Kammer-Luftfederung, in dieser Klasse einzigartig. Mit dieser Option schwebt die E-Klasse fast sänftengleich über Fahrbahnunebenheiten jeglicher Art. Dazu passt die leichtgängige Lenkung und die hervorragende akustische Dämmung der E-Klasse.

 

Keine Frage also: Der klassische Mercedes ist noch einmal besser und überzeugender geworden. Jetzt fehlt eigentlich nur ein Benimmkurs, der ihm beibringt, die Förmlichkeiten nicht durcheinanderzubringen. (ampnet/TX)