Diamant für die Schlammpartie.




Dass sich Rolls-Royce als Diamant unter den Edelsteinen der Branche versteht, ist kein Geheimnis. So schien es nur eine Frage der Zeit, bis eine der rollenden Preziosen eine entsprechende Bezeichnung tragen würde. Und, was Wunder, der Name des neuesten Produkts steht für einen Superlativ. Für den größten jemals gefundenen Rohdiamanten...

 

Cullinan heißt die gewichtige Luxuskarosse.

 

Phantome, Geister, Gespenster und andere mystische Erscheinungen hatten in den vergangenen Jahrzehnten die Namensgebungen bei Rolls-Royce bestimmt, nun schien wohl deren schattenhaftes und flüchtiges Wesen nicht recht zu der wuchtigen Erscheinung zu passen. 3.106,75 Karat wog der Edelstein vor seiner Spaltung, ein Wert, von welchem der Cullinan mit dem Doppel-R nicht mehr weit entfernt sein dürfte. Nicht nur beim Gewicht, sondern auch bei den Abmessungen setzt der neue Rolls-Royce Maßstäbe. Mit 5,34 Metern Länge und mit 2,14 Metern Breite verweist der edle Brite selbst die Stretch-Version eines anderen SUV-Giganten auf den zweiten Platz. Bei einer wichtigen Kenngröße für die Beinfreiheit im Fond, dem Radstand, liegt der Diamant aus Goodwood erst recht vorne. Der Range Rover „Extended Wheel Base“ und auch der Bentley Bentayga sind fast spielerisch auf die Plätze verwiesen worden.

 

Infantiles Ranglisten-Posing per Maßband ist für Rolls-Royce allerdings undenkbar. Die Motivation, das erste Allrad-Automobil der Marke in 114 Jahren zu entwickeln, sei allein von den Kundenwünschen inspiriert. „Sie haben darauf gewartet“, sagt CEO Torsten Müller-Ötvös, „dass Rolls-Royce ein Automobil herstellt, das kompromisslosen Luxus bietet, wohin auch immer sich sein Besitzer damit wagt“. Also wurde die mühelose (effortless) Fortbewegung, die seit Generation als Markenethos gilt, um diesen Punkt erweitert: „Effortless, everywhere“.

 

Damit das in der Praxis tatsächlich auch so funktioniert, muss natürlich für den 4x4-Antrieb ein kräftiger Motor her. Den hat Rolls-Royce. Es ist der 6,75-Liter Zwölfzylinder, der dank Biturbo-Aufladung 571 PS besitzt. Die Pferdchen werden vor allem dann gebraucht, wenn es hoch bis zu den abgeregelten 250 km/h geht. Durchzugskraft ist nicht minder wichtig, denn Rolls-Royce konnte es den Eigenern ihrer Fahrzeuge nicht noch länger zumuten, ihre Boots- oder Pferdeanhänger von anderen Marken ziehen zu lassen. 850 Nm stehen zu Buche, verfügbar ab 1.600 U/min.

 

Außer dem neu entwickelten Allradantrieb findet sich im Cullinan auch eine neu entwickelte Allradlenkung. Beides dient dem Ziel, den Insassen in einer Umgebung von ultimativem Luxus uneingeschränkten Zugang in unerschlossene Offroad-Bereiche zu gewährleisten.

 

Mit dem Erscheinen der aktuellen Phantom-Generation hat Rolls-Royce die „Architektur des Luxus“ ausgerufen. Der ist auch der neue Cullinan verpflichtet, obwohl ein Detail der Spitzen-Limousine vorbehalten bleibt: „The Gallery“, die individuell gestaltbare Fläche vor dem Beifahrersitz, findet sich beim SUV nicht. Das Cockpit folgt herkömmlichen Prinzipien, außer den großen Bildschirmen deutet noch der Dreh-Drücksteller auf der Mittelkonsole die Verwandtschaft zu bekannten BMW-Modellen an.

 

Es gibt wenig, was bei Rolls-Royce so wichtig ist wie Tradition. Deshalb müssen die mächtige Motorhaube zwischen den Kotflügeln auch immer spitz zulaufen, die polierten Lamellen des Grills aufrecht im Wind stehen und die hinteren Türen gegenläufig zur Fahrrichtung öffnen. Diese paar Merkmale authentisch mit echten Innovationen zu verknüpfen, ist wohl die Herausforderung, der sich die Ingenieure stellen müssen. Auch dann, wenn sie eine bewegliche Aussichtsplattform im Heck installieren wollen. Wie eine faltbare Campinggarnitur sind dort zwei Sessel und ein Tisch untergebracht, wo man ein Glas Champagner zu sich nehmen kann, während man im Freien die Abendsonne genießt...

 

Damit die Ruhe und Abgeschiedenheit, die von jeher das Fahrerlebnis in einem Rolls-Royce kennzeichnen, nicht hinter die der Limousinen fällt, haben die Ingenieure einen Trick genutzt. Die Trennung von Passagier- und Gepäckabteil nach dem Muster klassischer „3-Box“-Pkw soll das „Schweben auf dem Zauberteppich“, das die Briten für ihre Schöpfungen reklamieren, sicherstellen. Dass handelsübliche Sicherheits-, Assistenz- und Kommunikationssyteme an Bord sind, versteht sich hier von selbst.

 

Der Diamant kam 1907 in den Besitz des britischen Königshauses als Geburtstagsgeschenk der Kolonie Transvaal an König Edward VII. Ob ein Cullinan aus Goodwood der englischen Krone verehrt werden wird, bleibt abzuwarten. Die offizielle Staatslimousine ist ein Bentley. (ampnet/TX)