Die Aura des Unwiederbringlichen...




In feiner Balance zwischen Bewahrung und Innovation präsentiert sich der neue Rolls-Royce Phantom. Das luxuriöse Dickschiff sprengt aber nicht nur die meisten Geldbeutel, sondern auch tradierte Muster. Live-Schaltungen nach Übersee waren bislang eher wichtigen politischen oder katastrophalen Ereignissen vorbehalten.

 

Sorgsam verkabelt, die seinen gut und eng geschnittenen Smoking leicht ausbeult, tritt Torsten Müller-Ötvös vor die Kamera. Ein kurzer Check, dann knipst der Vorstandsvorsitzende von Rolls-Royce Motor Cars sein gewinnendes Lächeln an. Es ist 22 Uhr in London, im TV der Ostküste der USA laufen die Nachmittagsnachrichten. „CNN“ möchte etwas zum neuen Topmodell der Luxusmarke wissen, wenige Minuten später der Wirtschaftssender „Bloomberg“. Man pflegt einen jovialen Ton, spricht sich mit Vornamen an, scherzt dezent und auch ein paar Informationen zur neuen, achten Generation einer Ikone tröpfeln über die Sender.

 

Dass es bei Rolls-Royce so anders zugeht als bei einem gewöhnlichen Pkw-Debüt hat mit der Häufigkeit zu tun. Die Präsentation eines neuen Phantom-Modells wird schon dadurch zu einem quasi-sakralen Ereignis, weil der Zugang schwieriger ist als zu einer Premiere in Bayreuth und weil sie seltener stattfindet als die Passionsspiele in Oberammergau. Handverlesenes Publikum aus allen Kontinenten, Herren in gedecktem Tuch und Damen in Ballkleidern, das noble Auktionshaus Bonhams in der New Bond Street als Schauplatz. Praktisch als Dreingabe gibt es noch die Schau vormaliger Phantom-Modelle...

 

Vor der Show wird den Gästen einiges an feinmotorischen Fähigkeiten abverlangt. Es sind nicht nur Champagnergläser und mit viel Blattgold dekorierte Wachteleier gegeneinander auszutarieren, sondern auch ein wahres Arsenal an bild- und tonkonservierenden Geräten, mit denen Erinnerungen an die Privatwagen von John Lennon und Fred Astaire, Feldmarshall Montgomery oder Sir Malcolm Campbell für einen Post in den sozialen Netzwerken eingefangen werden. Eine ähnliche Sammlung historischer Phantoms wird im Oktober in Berlin zu bestaunen sein, inkl. des Fahrzeugs von Aga Khan III, einst Präsident der Vollversammlung des Völkerbundes sowie das geistliche Oberhaupt der Ismaeliten.

 

Das in den feierlichen Ansprachen verwendete Vokabular ist geeignet, eine Aura des Unwiederbringlichen zu erzielen. (ampnet/TX)