Ein „Experiment“ verlieh Alfa Romeo neuen Schwung.




Im Prozess, der 1986 übernommenen Marke Alfa Romeo neues Leben zu geben, griff Fiat auch unkonventionelle Ideen auf. Vittorio Ghidella, damals Präsident von Fiat, brachte persönlich das Projekt „Experimental Sportscar, 3.0 litre engine“ ins Laufen. Zielvorgabe für den ES 30 war ein puristisches Coupé, mit sportlichen Fahrleistungen und Design.

 

Um den letzten Punkt der Aufgabenbeschreibung kümmerten sich gleich mehrere Teams parallel: Die Alfa-Designabteilung unter der Leitung von Walter de Silva, das Fiat Centro Stile mit Projektleiter Robert Opron und das Designstudio Zagato. Diese Mannschaft erhielt als Vorgabe geringes Gewicht sowie eine möglichst effiziente Aerodynamik inkl. Ground-Effect wie bei einem damaligen Formel1-Boliden.

 

Das Ergebnis war ein für seine Zeit recht avantgardistisches Design mit schmalen, quadratischen Dreifach-Scheinwerfern, einer ausgeprägten Keilform mit hoher Gürtellinie und kurzem Steilheck. Eine kontrovers diskutierte Optik, die diesem Projekt schnell den Spitznamen „Il Mostro“ einbrachte. Wobei die Bezeichnung „Monster“ für ein Auto in den von allerlei extremen Experimenten im Automobildesign geprägten, späten 1980iger Jahren durchaus als Komplimentes zu verstehen war!

 

Die Karosserie wurde aus Modar, ein glasfaserverstärkter Kunstharz, beim italienischen Spezialisten Carplast gefertigt. Ein neues Verfahren sorgte für eine besonders glatte Oberfläche. Als tragende Struktur diente ein Stahlskelett. Für die Dachhaut wurde Aluminium verwendet. Dieses fertige Fahrzeug wog vergleichsweise geringe 1.256 kg. Für den Antrieb wählten die Techniker den 3.0-Liter V6-Benziner aus dem Alfa Romeo 75 America. Durch schärfere Nockenwellen und neueste Motorelektronik wurde die Leistung auf 210 PS gesteigert. Das max. Drehmoment von 245 Nm war bei 4.500 Umdrehungen erreicht. Eine Sportauspuffanlage lieferte den kernigen Sound des nicht mal 4,10 m langen Wagens. Der Luftwiderstandsbeiwert von 0,30 war ebenfalls für die Zeit hervorragend. Das Ergebnis im Windkanal war eine Spitze von 245 km/h und eine Zeit von 7,5 Sekunden für den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h. Um den geforderten Ground-Effect zu erreichen, musste die Karosserie aber eine geringe Bodenfreiheit aufweisen. Sie betrug rund 6 cm. Da sie im Alltag zu Problemen z.B. mit Einfahrten geführt hätte, wurde schließlich eine elektrische Niveauregulierung eingebaut, mit deren Hilfe der Aufbau bei Bedarf um 5 cm angehoben werden konnte.

 

Eine weitere Anforderung war die Gesamtkosten für die Entwicklung im Rahmen zu halten. Bei der Technik stand von daher der Alfa Romeo 75 zur Seite. Das Chassis mit dem Getriebe an der Hinterachse (Transaxle-Bauweise) wurde jedoch noch mit Know-how aus der Rennabteilung der angestrebten Leistung angepasst. So wichen die Torsionsfederstäbe an der Vorderachse herkömmlichen McPherson-Federbeinen, steife Uniball-Gelenke statt herkömmlicher Gummielemente besiegten Bewegungen im Fahrwerk. Die nach dem „De-Dion-Prinzip“ aufgebaute Hinterachse erhielt ebenfalls einige Optimierungen, darunter ein Sperrdifferenzial. Die Feinabstimmung auf der Strecke übernahm Rennfahrer Giorgio Pianta, später als Teamchef für die Siege in der DTM verantwortlich.

 

Zagato entwickelte auch eine Rennversion des ES 30, die 1993 in einem eigenem Markenpokal im Rahmen einiger Formel1-Rennen auftrat. Das Auto war aber vor allem als GT im klassischen Sinne gedacht. So fiel die Serienausstattung doch relativ üppig aus. Klimaanlage, Ledersitze, eine lederverkleidete Armaturentafel und elektrische Fensterheber gehörten zur Serie. Die in Kohlefaser-Optik verkleidete Armaturentafel verströmte Rennsportatmosphäre. Angeboten wurde allein nur die Karosseriefarbe Rosso Alfa Romeo in direkter Kombination mit dunkelgrauem Dach und naturfarbener Innenausstattung. Einzige Ausnahme war das für Andrea Zagato persönlich gefertigte Exemplar. Der Direktor der gleichnamigen Carrozzeria erhielt seinen ES 30 in Schwarz.

 

Nach nur 19 Monaten, pünktlich für die geplante Weltpremiere auf dem Genfer Automobilsalon im März 1989, war der ES 30 serienreif. Was noch fehlte, war ein offizieller Name. Da die Produktion bei Zagato im Mailänder Vorort Rho erfolgen sollte, besann man sich auf eine recht legendäre Buchstabenkombination „SZ“ (Sprint Zagato). Trotz des relativ hohen Preises am Anfang von 80.000 D-Mark, später mehr als 100.000 D-Mark, wurden bis 1993 fast 1.040 Alfa Romeo SZ verkauft.

 

1992 ergänzte das Cabriolet Alfa Romeo RZ (Roadster Zagato) dieses Angebot, bei dem das Alu-Dach durch ein Stoffverdeck ersetzt war. Da Zagato nach dem offiziellen Stopp den 140.000 D-Mark teuren Roadster in Eigenregie weiterbaute, ist die genaue Produktionszahl nicht genau ermittelbar. Definitiv belegt wären 287 Stück. (ampnet/TX)