Heimspiel im schwarzen Trikot…




Das Versteckspiel hat ein Ende, der Auftritt ist glamourös, wie es sich für die Marke gehört: Als drittes Modell seiner „Black Badge“-Serie zeigt Rolls Royce sein Cabriolet Dawn erstmals der Öffentlichkeit. Und zwar zu Hause, in Goodwood, wo am letzten Wochenende, egal bei welchem Wetter, unzählige von Oktan-Junkies das „Festival of Speed“ feiern.

 

Obwohl Rolls Royce schon vor Jahrzehnten dem offiziellen Engagement im Motorsport entsagte, sind PS-Überschuss und Wettbewerb offenbar nicht dauerhaft voneinander zu trennen. Beim legendären „Hill Climb“, dem Bergrennen im Vorgarten des Earl of March, sind gleich mehrere Rolls Royce zu beobachten. In einem Modell Ghost versieht ein Team den Dienst als Streckenwacht, ein Wraith Black Badge stürmt in einer Sonder-Performance energisch die Anhöhe und die millionenschwere Einzelanfertigung Sweptail demonstriert auf einer Show-Spritztour den gewagten Sprint am Rande des gräflichen Rasens.

 

Gäbe es nicht eine Klientel, die gering an Lebensjahren aber sehr reich gesegnet an Vermögen ist, wäre die „Black Badge“-Serie wohl niemals entstanden. Zuletzt rangierte das Durchschnittsalter der Rolls-Käufer bei 46 Jahren. Doch da auch Rolls Royce an einer Verjüngung interessiert ist, wurde die „dunkle Seite“ der Marke hervor gekehrt. Als „Alter Ego“ von Rolls Royce hat sein Chef, Torsten Müller-Ötvös, diese Idee einmal bezeichnet: „Dunkler, direkter, kraftvoller“. Obgleich ohne Vorbild in der facettenreichen Geschichte der Marke, fügt das schwarze Abzeichen dem exklusiven Angebot per Werkstuning eine neue Nuance hinzu.

 

Technisch basierend auf dem Coupé Wraith ist die Schwarzmalerei beim Dawn Cabrio allumfassend. Wo sonst Chrom blitzt, absorbieren hier die Lackschichten das Licht. Und selbst „Emily“, seit 106 Jahren Inbegriff automobiler Luxus-Kreationen, scheint wie in Trauertuch gehüllt auf der nach wie vor sehr mächtigen Kühler-Skulptur. Selbst das Doppel-R als Radnaben-Abdeckung, das selbst bei Höchsttempo so stoisch ruhig in der Vertikalen verharrt, ist zum auffälligen Negativ-Abbild mutiert: Die Chrom-Buchstaben liegen auf schwarzem Grund.

 

Der satt orangefarbenen Innenausstattung des Ausstellungs-Fahrzeugs setzt filigrane Handwerkskunst am Armaturenbrett einen unerwarteten Kontrast entgegen: Da Karbon heute schon fast so gewöhnlich ist wie Holzfurnier, schufen die Ästhetik-Experten aus Goodwood ein neues Material: Kohlefasern werden mit feinen Aluminium-Fäden von 0,014 mm Durchmesser verwoben, anschließend wird die Oberfläche versiegelt und nach einer 72-stündigen Trocknungspause von Hand auf Hochglanz poliert. Die Textiloptik ist möglicherweise nicht beabsichtigt, aber...

 

Um diese finstere Optik mit der Leistung in Einklang zu halten, wurde natürlich technisch draufgesattelt. Der V12-Biturbo erhielt eine Fitness-Spritze von 30 PS, zudem wurde das Drehmoment um 20 Nm erhöht. Der geneigte Besitzer der geschwärzten Dämmerung (Dawn) kann nun auf 601 PS und 840 Nm Durchzugskraft verweisen. Analog zu den bisherigen beiden Finsterlingen im Programm ist die 8-Stufen-Automatik von ZF komplett neu angestimmt, reagiert speziell auf Pedalwinkel und Leistungsanforderung. Dazu kommen größere Bremsen und direktere Lenkung, die die dynamischen Komponenten des Fahrerlebnisses noch weiter schärfen. Dem Preis von 376.040 Euro ist lediglich statistische Bedeutung beizumessen, denn niemand unter ernsthaften Interessenten macht von der Höhe die Entscheidung abhängig.

 

Nur mit vornehmer Zurückhaltung ist im Selbstdarstellung-Business der automobilen Luxusklasse keine Aufmerksamkeit mehr zu erringen. Und wenn schon Show, dann wenigstens konsequent: Der Lustgarten aus künstlichen Buchsbaum-Hecken, der unweit des Herrensitzes das ideale Ambiente für die opulente Präsentation abgibt, ist auf allen TV-Bildern von natürlichen Buxus-Gewächsen nicht gut zu unterscheiden. (ampnet/TX)