Kia Stinger: Angriff aus Südkorea!


Von der Studie bis zum Serienfahrzeug ist es ein langer und oft steiniger Weg. Wohl deshalb hat es gut 6 Jahre gedauert, bis Kia mit dem Stinger seine Idee vom stattlichen Gran Turismo realisiert. Kia-Geschäftsführer Steffen Cost mit einer ganz unerwarteten Offenbarung dazu: „Es gehe gar nicht in erster Linie ums Geldverdienen“.

Kia Stinger

Der Stinger soll künftig als Flaggschiff und Imageträger im Hause Kia fungieren. Während der langen Entwicklung zog das Team immer wieder Vergleiche mit dem Audi A5 Sportback und dem BMW 4er Gran Coupé heran. Auch VW Arteon oder Infiniti Q50 könnten Zielscheiben sein.

 

Angesichts dieser Voraussetzungen verblüfft der angriffslustige Name (Stachel) nicht mehr so sehr. Tatsache ist, dass der Stinger viel Neues in das Kia-Portfolio bringt. Ein derart leistungsstarkes Produkt war ebenso wenig vorhanden wie ein Auto mit Heckantrieb. Gleichzeitig markiert der GT ein Ausstattungsniveau, dass für alle Varianten z.B. Lederpolster, Navi-System, Head-up-Display oder Spurhalte-Assistent ab Werk hat… Merkmale, die oftmals eher Aufpreis kosten.

 

Von der hinreißenden Optik der Studie von 2011 konnten einige Details in die Serie gerettet werden. Der Mix aus senkrechten und waagerechten Lufteinlässen an der Front gehört ebenso dazu wie die geschwungene Leuchtgrafik und die Spoilerlippe am Heck. Mit 4,83 Metern Länge ist der Stinger sogar ein wenig kürzer als der Kia Optima, was der Stellung des Neulings in der Hierarchie aber keinen Abbruch tut. Das Spektrum reicht von 200 PS bis 370 PS, die Preisspanne von 43.990 bis 54.900 Euro. Zwei Versionen sind mit Hinterrad-, zwei mit Allradantrieb ausgestattet, jedoch alle nutzen für die Kraftübertragung eine 8-Gang-Automatik.

 

Wer an die Spitze will, darf bei der Fahrwerkstechnik nicht kleinlich sein, weshalb ein adaptives Dämpfersystem mit einstellbaren Fahrmodi zum Einsatz kommt. Außer der „Smart“-Einstellung, die es nur den Sensoren überlässt, das Auto dem individuellen Fahrstil sowie den Verhältnissen anzupassen, kann außerdem zwischen Eco, Comfort, Sport und Sport+ gewählt werden. Jeder Modus macht Sinn.

 

Aber: Die Sport-Modi bieten noch Raum für eine spitzere Auslegung. Die 8-Gang-Automatik aus eigener Fertigung beeindruckt mit geschmeidigen und schnellen Gangwechseln, es fehlt die Fähigkeit, heftiges Abbremsen als Signal für konsequentes Herunterschalten zu deuten. Wer hurtig aus der Spitzkehre kommen will, muss da schon mal mit den Paddeln etwas nachhelfen. Und wer es mit dem Wechsel von Spurt und Verzögerung all zu bunt treibt, kann sogar die Brembo-Bremsen im Topmodell zu einem spürbaren Fading verleiten. Insgesamt präsentierte sich jedoch die 370 PS-Version als ausgewogene, leicht zu beherrschende Fastback-Limo mit ausgeprägten sportlichen Talenten. Dass inkl. Insasse satte rund 2 Tonnen ums Eck zu wuchten sind, war zu keiner Zeit hierbei Thema.

 

Im Normalbetrieb dürfte der Stinger seiner GT-Bestimmung folgend eher bei der zügigen, aber gelassenen Autobahnfahrt zum Einsatz kommen. Mehr als 400 Liter Kofferraumvolumen erlauben längere Ausflüge mit 4 Personen. Die rückwärtigen Passagiere nehmen auf Polstern Platz, wo die Sitzflächen nach hinten eine Abwärtstendenz aufweisen. Mit diesem Trick lässt sich ausreichende Kopffreiheit generieren. Die vorderen Sitze weisen zahlreiche elektrische Verstellmöglichkeiten auf und entsprechen in Komfort durchaus Premiumansprüchen.

 

Es hat schon etwas tröstliches, wenn man nach längerer Suche ein paar Plastikverkleidungen findet, die nicht auf Alu-Glanz getrimmt wurden und dem sonst hochwertigen Ambiente eine Nuance von Kostenbewusstsein geben. Denn was sonst alles an Ausstattung auf der Liste steht, sucht seinesgleichen. Praktisch sind nur noch ein elektrisches Glasdach und die Metalliclackierungen (zu je 690 Euro) als Option noch bestellbar.

 

Man fragt sich, wo wohl die Schwächen des Newcomers liegen mögen? Sicher nicht in der Tatsache, dass bei den Testfahrten die Sollwerte des Verbrauchs überschritten wurden. Daran hat man sich gewöhnt. Auch der Diesel, dessen grundsolider und geräuscharmer Motor von dem des Sorento abgeleitet ist, gibt sich gar keine Blöße. Mit Durchzugskraft soll dieser für rund 60 Prozent der Bestellungen sorgen. Es ist der fehlende Alternativantrieb, der die Strahlkraft schmälert. Kia kann, siehe Optima, die Plug-In-Hybrid-Technik, so dass ein teilelektrischer GT wohl wirklich das Tüpfelchen auf dem „i“ gewesen wäre. (ampnet/SW)