Mercedes-Benz Vito 4x4:


Ganz sicher wollten man sich nicht dem Verdacht aussetzen, dem neuen Allradantrieb in den Medien einen zu leichten Start ermöglicht zu haben. Also ging man nach Nordschweden, dorthin, wo sonst mindestens minus 10 Grad für betonhartes Eis sorgen. Doch es kam schlimmer: Der neue Mercedes-Benz Vito 4x4 musste bei 0 Grad über spiegelglatte Flächen.

Mercedes-Benz Vito 4x4

Die Pressecrew bedauerte das. Die Medien empfanden dies als einen glücklichen Umstand. Denn glatter kann eine Fahrbahn im Winter kaum werden als bei einer weichen Eisschicht, auf der Tauwasser und Regen einen Reibbeiwert erzeugen, der jedem Autofahrer den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Es war daher spannend, wie sich also ein leichtes Nutzfahrzeug unter solchen Bedingungen bewegen lässt!

 

Auf der Kreisbahn des zugefrorenen Sees mit einem Durchmesser von 100 Metern waren 80 km/h drin, bevor das ESP zur Ordnung aufrief. Im Slalom-Parcours benahm sich der Mercedes-Benz Vito 4x4  bei höherer Geschwindigkeit ebenfalls gesittet. Den Ausweichtest auf Eis schaffte er mit gut 50 km/h. Und auf dem Handlingkurs musste man nur abwarten, bis das Heck drängte, kurz die Lenkung öffnen, schon war alles in Spur.

 

Soweit die Erfahrungen auf Eis. Auf dem Schnee der Landstraßen zeigte der Vito einen sehr heftigen Vorwärtsdrang. Und auf Gefällestrecken half die neue Bergabfahrhilfe, die noch ein paar Bemerkungen wert sein wird. Da zum warmen Wetter auch noch Sturm kam, konnte der Seitenwind-Assistenten zeigen was er kann. Nämlich wirklich etwas...

 

Das Fazit zum Fahrverhalten: Wer mit diesem Auto auch bei schlimmen Straßenverhältnissen ins Straucheln kommt, wollte die eigene Schwelle zu deutlich überfahren sowie die Gesetze der Physik bewusst ignorieren.

 

Hinter solch einem Fahreindruck bei diesem Leichttransporter-Van steckt natürlich eine moderne Allradtechnik. In aller Bescheidenheit bekannten die Entwickler in Nordschweden, sie hätten ins Konzern-Regal gegriffen und sich dort beim 4Matic-Antrieb der Pkw bedient und diesen noch ein bisschen angepasst an die neue Aufgabe, mit unterschiedlichen Lasten von einer Person, dem Fahrer, bis zur Maximallast auf der Hinterachse das wünschenswerte Verhalten sicherstellen zu können.

 

Anders als beim Vorgänger kommt beim neuen 4x4 der Antrieb ab sofort beim Normalbetrieb mit 55 Prozent mehr Leistung an der Hinterachse an. Wird eine andere Verteilung benötigt, wird einfach nachgeregelt. Für den Ausgleich der Unterschiede an einer Achse zwischen linkem und rechtem Rad sorgt das 4ETS-System mit einem gezielten Bremseingriff an dem durchdrehenden Rad. Im Endeffekt bekommt also jedes Rad das Maß an Traktion zugeteilt, das seinen Reifen auf die Fahrbahn bringen kann. Das geschieht in der Praxis so weich, dass der Fahrer es kaum spürt und nur bei ganz schwierigen Untergründen zudem auch mal hört.

 

Zu dieser Art des respektvollen, aber erstaunlich problemlosen Fahrens im Winter passt auch die neue Bergabfahrhilfe. Anders als bei anderen System kriecht sie nicht mit vorgegebener Geschwindigkeit gleichmäßig das Gefälle hinab. Sie lässt sich mit Gaspedal und Bremse regeln und hält die letzte Geschwindigkeit, die der Fahrer eingegeben hat. Er kann also auf besseren Teilstrecken eine höhere Geschwindigkeit abrufen, die dann vom System gehalten wird. Ab 45 km/h steigt das System dann aus, um in einem Notfall sofort erneut zu übernehmen.

 

An Bord findet sich auch der Schalter „ESP off“. Wer meint, damit auf der Kreisbahn oder auf dem Eis-Handlingkurs Drifts produzieren zu können, der irrt. Denn bei 60 km/h schaltet sich das ESP wieder ein. Die „Off-Position“ ist nur für solche Fälle gedacht, in denen ein ESP-Eingriff das Fortkommen behindert. Diese Fälle werden allerdings nicht allzu häufig auftreten, denn inzwischen hat die ESP-Truppe dazu gelernt, aus dem Verhalten der Räder den Untergrund zu erkennen. So bauen die Reifen z.B. im Schotter oder im Neuschnee genau den Keil vor dem Reifen auf, der den Bremsweg verkürzt. Dafür hätte man ESP sonst ausgeschaltet.

 

Das Fahrverhalten des Mercedes-Benz Vito 4x4 erwies sich bei unseren Test in Nordschweden als idiotensicher. Das dürfen die Entwickler hier als reines Kompliment verstehen und der Käufer als eine Art eingebauter Lebensversicherung. Alles hat seinen Preis. Der Vito 4x4 kommt aktuell nur mit dem 190 PS starken 2,1-Liter Diesel und der 7-Gang-Automatik 7G-Tronic plus zum Kunden. Der Allradantrieb kostet 3.300 Euro (netto). Es handelt sich schließlich nur um ein Nutzfahrzeug...

 

Bei den leichten Nutzfahrzeugen und Vans leidet Mercedes-Benz stets unter dem Vorurteil, Mercedes baue zwar die besseren Fahrzeuge, aber leider auch die teureren. Doch bei den „kleinen Nutzis“ stimmt das nicht. Im Gegenteil: Mercedes-Benz arbeitet hier mit Technik wie diesem 4x4-Antrieb und sehr aggressiven Preisen gegen das Vorurteil. Das lässt sich ausnutzen, zumal derselbe Allradantrieb auch in der V-Klasse steckt, die Mercedes-Benz bei den Personenwagen-Händlern gar anbietet. (ampnet/SW)