Mobilität für die Massen und Breitensport.




Doppel-Jubiläum im Hause Fiat. Seit 120 Jahren baut die Turiner Marke Autos. Und vor 70 Jahren kam der sportliche Ableger Abarth dazu. Beide verbindet von Anfang an derselbe Gedanke: Erschwingliche Autos für die breite Masse auf. Die eine Marke für die Straße, der andere Marke vorwiegend für die Rennstrecke.

 

Als die sieben Geschäftsleute 1899, darunter der spätere Präsident und Dynastie-Begründer Giovanni Agnelli, die „Fabbrica Italiana di Automobili Torino“, kurz F.I.A.T., gründeten, konnte niemand ahnen, dass nur 60 Jahre später daraus das größte Privatunternehmen Italiens erwachsen sollte. Tatsächlich begann die Erfolgsgeschichte 1922 mit der Eröffnung des Werks Lingotto, berühmt durch die heute noch erhaltene Test- und Einfahrstrecke direkt auf dem Dach des Gebäudes.

 

In Lingotto wurde nach US-Vorbild am Fließband gefertigt. Denn schon früh hatte Giovanni Agnelli die Idee, das seinerzeit teure Luxusgut Auto auch für den einfachen Arbeiter zugänglich zu machen. Mit den Modellen 508 und 500 „Topolino“ (Mäuschen), die deutlich kleiner und preiswerter waren als für diese Zeit üblich, erreichten die Italiener in den 1930igern dieses gesteckte Ziel nachhaltig.

 

Nach dem II Weltkrieg setzte Fiat diese Strategie fort und schuf 1955 mit dem Modell 600 den ersten italienischen „Volkswagen“. Vom „Seicento“ werden bis 1969 über 4 Millionen Exemplare gebaut. Darunter auch die erste „Großraumlimousine“ 600 Multipla. 1957 der kleine Fiat 500. Auch vom „Nuova Cinquecento“ rollen in seiner 20-jährigen Bauzeit rund 3,7 Millionen Exemplare von den Bändern. Es folgten weitere Bestseller und Kultmodelle wie etwa 1966 der Roadster 124 Spider oder der Panda, der 1980 als „tolle Kiste“ in Deutschland Schlagzeilen machte und auf mehr als 4 Millionen Einheiten kommt. Mit dem Uno landeten die Italiener 1983 den nächsten Coup. Bis 1995 wurden von dem „Auto des Jahres 1984“ mehr als 6,3 Millionen Stück gebaut. Und auch sein direkter Nachfolger, der Punto, ist gar bis zum heutigen Tag erfolgreich.

 

Neben Kult gab es aber auch einige Kuriositäten. Der Fiat Otto Vu (8V) etwa, ein 2-sitziger Sportwagen mit V8-Motor. Oder der Fiat X 1/9, der mit seinem Targa-Dach an den Porsche 914 erinnerte. Unvergessen die Neuauflage des Fiat Multipla im Jahr 1998, der mit seiner merkwürdig geformten „Delfin-Schnauze“ Pontiac Aztek und SsangYong Rodius den Titel als hässlichsten Autos streitig macht.

 

Und es gab Durststrecken, gestalterisch und konzeptuell. Palio, Marea, Stilo, Croma, um wirklich nur einige Modelle zu benennen.

 

1949 gründete der Exil-Österreicher Carlo (Karl) Abarth seine Firma, die nur ein Jahrzehnt später mit ihren aufgebrezelten Kleinwagen bis weit in die 1970iger hinein die internationale Rennsportszene mit einigen Welt-, Langstrecken- und Geschwindigkeitsrekorden aufmischte. Insgesamt 10 Weltrekorde, 133 internationale Rekorde und mehr als 10.000 Siege auf Strecken und Pisten fuhren die Autos mit dem Skorpion (Sternzeichen des Gründers) im Markenlogo ein. Eine Idee, die Ferruccio Lamborghini gut 14 Jahre später mit seinem Sternzeichen Stier kopierte. Anders als der Boliden-Bauer aus Bologna oder die PS-Magier von Ferrari hatte sich der einstige Motorradmechaniker Carlo Abarth dem Tuning kleiner Fiat-Modelle und -Motoren verschrieben.

 

Als Fiat 1957 den Fiat 500 auf den Markt bringt, greift Carlo Abarth sofort zu. Statt 13,5 produziert der Zweizylinder im Heck nach der Kur bis zu 23 PS, mit dem der Kraftzwerg im Februar 1958 einen neuen Rekord in 7-tägiger Dauerfahrt erzielt. Diese Glanzleistung führte zu einer offiziellen Zusammenarbeit mit Fiat. Fortan verwandelte die Marke beinahe jedes Serienmodell von Fiat in der Werkstatt am Turiner Corso Marche in ein Rennauto. Besonders erfolgreich waren die Derivate des Fiat 600, deren Leistung bis 1970 auf über 110 PS anstieg. Vom Fiat 500 entstanden u.a. die Varianten 595 Esseesse und 695 Esseesse, wobei das Doppel-S (esseesse) in diesem Fall allein für Super Sport steht. (ampnet/TX)