Perfektion in offener Form.




Mit dem F8 Spider könnte bei Ferrari eine große Ära enden: Es ist das leistungsstärkste, aber möglicherweise auch letzte produzierte V8-Modell der Marke ohne Hybridisierung. Der Nachfolger des 488 Spider liefert die gleiche Leistung wie der Ferrari 488 Pista Spider von 2018. Der intern F154CD genannte 3,9-Liter V8-Motor mobilisiert 720 PS und 770 Nm.

 

Dank dieser Leistungen spurtet der F8 Spider in 2,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, in 8,2 Sekunden von 0 auf 200 km/h und weiter bis 340 km/h. Mit einem Gewicht von 1.400 kg weist der F8 ein Leistungsgewicht von weniger als 2 kg pro PS auf.

 

Das faltbare Hardtop lässt sich per Knopfdruck in knapp 14 Sekunden versenken, bis 45 km/h. Es gibt übrigens noch eine andere Möglichkeit: Auch wenn das Dach geschlossen bleibt, kann die kleine Heckscheibe geöffnet werden. So wird die Melodie des Mittelmotors perfekt hörbar.

 

Beim Design tritt der F8 Spider in die wunderschönen Fußstapfen des Pista. Vorn dominiert der S-Duct, die seitlichen Lufteinlässe sind äußerst schlank, die langen LED-Beleuchtungseinheiten verleihen der Front ein breites und aggressives Erscheinungsbild. Große Lufteinlässe führen der Powermaschine gewaltige Mengen an Kühlluft zu, die Seitenschweller verjüngen zur Hinterachse... Erstmals seit dem F430 kehren bei Ferrari die doppelten Rückleuchten zurück. Der untere Heckabschluss mit dem breiten Diffusor und zwei großen Auspuffrohren ähnelt dem Pista. Und es erschließen sich immer neue Designelemente: Die Schnauze bedeckt einen Gepäckraum, der in Kohlefaser-Verbundstoff ausgekleidet ist, das Interieur wird von Leder und Kohlefaser dominiert, die Karbon-Rennsitze passen perfekt. Obwohl der Spider weniger Platz hat als der F8 Tributo, können auch größere Personen bequemst sitzen. Dies ist nicht bei allen Mittelmotor-Sportwagen so.

 

Das ganze Raumgefühl profitiert von der extrem niedrigen und eleganten Mittelkonsole, die hervorragende Beinfreiheit gewährt. Das Cockpit ist fahrerorientiert: Alle wichtigen Bedienelemente befinden sich direkt am Lenkrad. Dazu gehören wichtige Anzeigen, Blinker, Fernlicht, Startknopf, Dämpfersteuerung, die Schalter zum Aktivieren von Sprachsteuerung, Telefon und Scheibenwischern sowie auch der berühmte Manettino, mit dem einzig und allein die Fahrmodi gewählt werden: Wet, Sport, Race, Traktionskontrolle aus und Stabilitätskontrolle aus. Für den Beifahrer gibt es einen eigenen Bildschirm, welcher über Berührungen steuerbar ist.

 

Wir fahren vom Stammsitz in Maranello los. Die stark von Lkw befahrene SP467 mit dem relativ schlechten Fahrbahnbelag ist nicht ideal für einen 720 PS Supersportwagen, aber mit weicher Dämpfereinstellung kommt der F8 gut damit zurecht. Sobald es auf kleineren Straßen in die Hügel geht, kommt diese brutale Kraft zur Geltung... Mit unerbittlicher Gewalt drückt die zwangsbeatmete Maschine den Fahrer in den Sitz, während von Kurve zu Kurve geflogen wird.

 

Dabei ist die Geräuschkulisse nicht mehr ganz so dominant wie früher, was nicht zuletzt an der Turboaufladung und dem Partikelfilter liegt, mit dem die Emissionen in homöopathische Bereiche gedrückt werden. Und auch Ferrari muss nun den Lärmschutz-Vorschriften gerecht werden.

 

Die Balance und Linearität, mit welcher dieser Ferrari seine überragende Leistung auf die Straße bringt, ist bemerkenswert. Der F8 Spider lässt sich trotz seiner 720 PS problemlos in der Stadt und im dichten Verkehr bewegen. Doch sobald das perfekte Stück Straße auftaucht, findet eine blitzartige Transformation statt. Es stellen sich magische Momente ein, zu denen dieses Cabriolet verhilft.

 

Auf dem zweiten Teil unserer Ausfahrt sind die Straßen gerade und viel glatter, aber der F8 ist so schnell, dass es nicht mal ansatzweise möglich ist, sein Potential auf öffentlichen Straßen auszuloten. Mit dem F8 Spider muss man auf eine Rennstrecke, um den Grenzbereich zu erfahren.

 

Viel zu schnell geht der Tag vorbei. Gibt es etwas Schöneres als mit diesem Boliden durch die italienischen Hügel zu donnern, während der Wind durch die Haare rauscht? Man fährt ja nicht nur, sondern erlebt viel mehr: Den Restaurantbesitzer, der einen verpflichtet, im Parkverbot vor seinem Gasthaus zu parken; die Kinder, die scheinbar von Ohr zu Ohr lächeln, wenn sie den Ferrari sehen. Glücklich, wer so etwas nicht nur an einem Testtag erleben kann/darf.

 

Ganz klar: Was die Italiener hier vorgelegt haben, kommt automobiler Perfektion schon nahe. Atemberaubendes Design, ein fahrerorientiertes Cockpit, Leistung im Überfluss für fast alle Situationen, außer evtl. beim Hypercar-Trackday. Kritikpunkt? Das Cabriolet dürfte lauter sein! (ampnet/TX)