Prototypen werden auf dem Neckar erprobt.




Auf den ersten Blick können die Betrachter am Ufer nicht erkennen, welche Kraft das Boot bewegt, das im August 1886 so mühelos, aber nicht leise auf dem Neckar bei Cannstatt kreuzt. In dem kleinen Schiff arbeitet der schnelllaufende Verbrennungsmotor von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach.

 

Noch vor der ersten Fahrt von Daimlers erstem Automobil, bringt dieser Motor den innovativen Antrieb vor 135 Jahren aufs Wasser. Der Motor, an dem Daimler und Maybach seit 1882 in Cannstatt arbeiten und der 1885 im zweirädrigen Reitwagen sein Debüt erlebt hat, bewährt sich als Bootsantrieb.

 

Unterschiedlich große Boote rüstet Daimler im Sommer 1886 mit dem Einzylindermotor aus, der auch „Standuhr“ genannt wird. Die „Neckar“ ist die größte des Trios, die „Rems“ liegt in der Mitte und das kleinste Schiff heißt halt „Schwaben“.

 

Am 9. Oktober 1886 meldet Daimler offiziell schließlich die „Einrichtung zu dem Betriebe der Schraubenwelle eines Schiffes mittelst Gas- oder Petroleum-Kraftmaschine“ zum Patent an. Das DRP 39367 wird am 1. Juni 1887 ausgegeben. Schneller geht das in den Vereinigten Staaten von Amerika: Hier wird das Patent No. 361,931 für Daimlers „Explosive Gas Marine Engine“ am 26. April 1887 erteilt. Eine weitere revolutionäre Erfindung Daimlers ist damals die sogenannte Reversiervorrichtung. Sie ermöglicht den Booten, rückwärtszufahren und somit recht gefahrlos am Kai anzulegen.

 

1888 beginnt die Serienfertigung von Motorbooten bei Daimler. Dazu errichtet das junge Unternehmen eine eigene Werft in Bad Cannstatt (Seilerwasen). Die Rümpfe werden jedoch von Bootsbauern zugeliefert, Daimler montiert Motoren und Antriebsanlage. Aus dieser Produktion geht das 1888 gebaute Motorboot „Marie“ der Familie des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck hervor. Das Boot, dessen Rumpf von Anderssen aus Neckarsulm stammt, ist reich verziert. Die Stuttgarter Kunsterzgießerei Paul Stotz & Co. liefert allein das prächtige Dekor. Die „Marie“ erreicht mit ihrem 1,5 PS starken Motor eine Geschwindigkeit von 11 km/h. Sie gehört nun zur Dauerausstellung des Mercedes-Benz-Museums (Stuttgart). (ampnet/TX)