Quattro wird im Trio elektrisch.




Der Himmel über Neuburg an der Donau ist tief und schwer. Aus den Wolken ergießen sich Graupelschauer, der Wind peitscht die Eispartikel über die Fahrbahnen des abgesperrten Geländes. Quattro-Wetter eben. In den scharfen Kurven des Areals soll der jüngste Elektriker von Audi zeigen was so möglich ist.

 

Mit den Modellvarianten e-Tron S und e-Tron S Sportback will Audi ein Bekenntnis zur modernen E-Mobilität abgeben. Und zum 40. Geburtstag des Quattro-Allradantriebs ein besonderes Präsent auf den Gabentische legen. Das Auto ist der erste Großserienwagen, der mit drei E-Motoren auf Tour geht. Eine E-Maschine versorgt die Vorderachse, zwei sitzen im Heck und treiben trotz ihres gemeinsamen Kühlkreislaufs unabhängig die Hinterräder an. Das birgt immense Chancen zur Agilitätssteigerung. Denn über die Steuerung der Antriebe lässt sich das kurvenäußere Rad mit erheblich höherem Drehmoment beaufschlagen als der Reifen im inneren Kurvenradius. Torque-Vectoring nennen Fahrwerksdynamiker diesen Kniff, der die Grenzen des Machbaren beinahe schon hinter den Horizont schiebt. Denn der Drehmomentunterschied von bis zu 2.000 Nm (je Rad plus 1.000 oder minus 1.000 Nm) unterstützt Einlenken in die Kurve, das Lenkrad dient nur dazu, sanfte Korrekturen vorzunehmen.

 

Der e-Tron S ist ein schwerer Brocken, allein 700 kg wiegt seine flache Batterie. Das aus 36 einzelnen Modulen bestehende Paket ist nur 34 cm hoch und 2,28 m mal 1,63 m lang und breit. Der Akku arbeitet mit einer Spannung von 397 Volt, kurzfristig kann dieser 585 PS elektrische Spitze abgeben. Die pure Kapazität liegt brutto bei 95 kWh, 86,5 kWh, also 91 Prozent davon, sind nutzbar.

 

Die Fahrdaten sprechen Bände, in 4,5 Sekunden beschleunigt der etwa 2,6 t schwere Wagen von null auf 100 km/h. Wobei sich die Frage stellt, wie sinnvoll es ist, im Alltag solch ein Extragewicht zu schleppen, nur um gelegentlich den nicht vorhandenen Auspuff zu zeigen? Am Ende wird der elektrische Audi von den konventionell getriebenen Brüdern ohnehin abgehängt; seine Höchstgeschwindigkeit ist allein auf 210 km/h limitiert.

 

Aber das E-Quattro System kann viel. 435 PS und 806 Nm Drehmoment erreicht das Trio. Die kräftige Kühlung erlaubt sogar eine Boost-Funktion. Bis zu 8,0 Sekunden lang generiert der Antrieb dann 503 PS sowie 973 Nm. Das wird in Kurven deutlich. Der Audi-Mann auf dem Beifahrersitz ermuntert uns: „Jetzt voll drauf aufs Gas“, am Scheitelpunkt. Der Schub ist gewaltig. Ganz sanft verlässt das Heck die Spur der Vorderräder, im großen Winkel angestellt schwingt sich der e-Tron S durch die Biegung. Das gelingt auch jenen, die nicht täglich damit ihr Brot verdienen, wie der schwedische Rallyepilot Stig Blomqvist, der bei einer Einführungsrunde das Potenzial des E-Sportlers vorführt. Mühelos lässt sich der Fahrweg trotz der verlorengegangenen Haftung der Hinterräder bestimmen. Ganz leichte Korrekturen genügen, um die Kurve zu meistern, auch wenn der Chauffeur nicht durch die Front, sondern durch die Seitenscheibe den besten Ausblick auf sie hat.

 

Das funktioniert allerdings nur dann, wenn der Fahrmodus „Dynamic“ gewählt wird und das ESP in der Einstellung „Sport“ auch die Driftwinkel zulässt. Bei „Sport plus“ ist es dann völlig abgeschaltet. Wobei die Frage auftaucht, wo und wann der Kunde eines e-Tron S je diese Funktionen ausprobieren kann oder einsetzen muss. Gewiss nicht auf öffentlichen Straßen. Vermutlich allein genau hier, im Audi-Trainingszentrum, wo kein anderer gefährdet wird und die Auslaufstrecken zudem groß genug sind.

 

Die Technik kann jedoch begeistern. Der E-Motor, der beim e-Tron 55 allein die Hinterachse antreibt, sitzt beim S-Modell an der Vorderachse. Dieser leistet als Solist 169 PS und 204 PS im Boost. Die zwei Elektriker im Heck sind verbunden wie siamesische Zwillinge, sitzen in nur einem Gehäuse um gemeinsam im geschlossenen Kühlkreislauf die gute Laune zu bewahren und bringen es gemeinschaftlich auf 265 PS bzw. 359 PS im Boost. Dies alles reicht.

 

Zur Serie des e-Tron S wird die Luftfederung mit adaptiver Dämpfung zählen, die bei Tempofahrten die Karosserie um 26 mm absenkt. Im Off-Road-Modus erhöht sie die Bodenfreiheit, die Trimmlage lässt sich um 7,6 cm variieren. Die Wahl von schlanken Kameras statt Außenspiegeln verbessert den Luftwiderstandsbeiwert auf cW 0,26. Die Bilder werden auf Screens in der Türverkleidung unterhalb der A-Säule widergegeben.

 

Ach ja, geladen werden muss der Akku des e-Tron S ja auch hin und wieder. Das geht notfalls in der heimischen Garage an einer 230 Volt Steckdose, dauert aber eine kleine Ewigkeit. An Schnell-Ladestation mit 150 kW Leistung dauert die Ertüchtigung der Batterie auf 80 Prozent rund 30 Minuten. An diesen übernimmt Audi die Kosten im Transittarif in den ersten 12 Monaten. Allerdings kostet der E-Sportler wohl auch ein Sümmchen. Die Theorie der Vergangenheit würde wohl auf rund 90.000 Euro kommen. Geschätzt… (ampnet/TX)