Range Rover SDV6: Großer Diesel unter Strom!


Während die schweren Hydrid-Geländewagen von BMW, Mercedes und Porsche den E-Antrieb mit einem Benzin-Motor kombinieren, hat sich Land Rover für ein Diesel-Aggregat entschieden, bevor die Selbstzünder unter Generalverdacht gerieten. In der Praxis macht der britische Nobel-Koloss Range Rover SDV6 Diesel Hybrid eine gute Figur.

Range Rover SDV6

Seine Lordschaft, der IV. Earl of Range Rover, ist fit wie nie. Abgespeckt hat er auch. Bekannt für erstklassige Manieren, furchtlos im Gelände und  Gäste werden mit gediegenem Komfort verwöhnt. Aber das Image! Trotz abgeworfener Pfunde gilt er als zu schwer, seine Öko-Bilanz als politisch unkorrekt. Klar, dass Range Rover da was machen musste. „Hybrid“ ist die Lösung, deren Alltagstauglichkeit auf den Prüfstand gestellt wurde...

 

Als erster SUV-Hersteller hat Range Rover in der vierten Generation des Flaggschiffs eine E-Maschine mit einem Diesel-Motor kombiniert. Diese Variante erscheint gewagt, da die englische Traditionsmarke sehr stark von Kunden in den USA und China lebt, dort Diesel-Motoren aber schon vor dem VW-Skandal nicht besonders geschätzt wurden. Aber vielleicht wirkt das Schlüsselwort Hybrid, das der Toyota Prius als Siegel etabliert hat, beruhigend auf die künftige Kundschaft dort vor Ort.

 

„Stark wie ein V8 und sparsam wie ein Vierzylinder“ möchte Land Rover glauben machen. Eine kühne These, denn immerhin wiegt die britische Wuchtbrumme mehr als 2,5 Tonnen, die wollen ordentlich angeschoben sein. Die E-Maschine (48 PS) unterstützt einen V6-Diesel, der 3,0 Liter Hubraum hat und allein schon 292 PS bereitstellt. Ihn so lange wie nur möglich in Bereitschaft zu halten und auf seine Mithilfe zu verzichten, ist der Trick beim Hybrid. Die Lithium-Ionen-Batterie dieses Range Rovers kann nicht an der Steckdose aufgeladen werden, sondern das Fahrzeug gewinnt seinen Fahrstrom durch Schubbetrieb oder aber bei der Brems-Rekuperation, wenn kinetische in elektrische Energie umgewandelt wird.

 

In der Summe kommt eine Systemleistung von 340 PS heraus, was der Leistung des V8-Diesel, den Range Rover ebenfalls anbietet, entspricht. Mit max. 700 Nm Drehmoment liegt der verstromte Selbstzünder etwas unter dem Niveau des Achtzylinders (740 Nm). Wird dieser überflüssig? Die NEFZ-Normen bringen es mit sich, dass der aktuelle V6-Hybrid in die Effizienzklasse „A+“ fällt, während der V8-Diesel je nach Radstand des Fahrzeugs zu B oder C gehört. Da der Testwagen noch unter den Euro5-Bedingungen zugelassen war, gilt für ihn jedoch ein kombinierter Verbrauchswert von gerade 6,4 Litern auf 100 Kilometer.

 

Leider beträgt die Kapazität dieser Batterie nur 1,76 kWh, so dass die elektrische Reichweite nicht allzu groß ist. Der Hersteller gibt sie mit 1,6 Kilometern an. Das geflügelte Wort von der Tankanzeige-Nadel, die man bei Vollgas auf ihrem Weg zu „leer“ beobachten könne, findet hier seinen Weg in die Realität: Die Batterieladung ist binnen kurzer Zeit erschöpft. Doch Trost naht: Die Nadel wandert fast ebenso schnell wieder zurück.

 

Fahren im Range Rover schafft seine eigene Wirklichkeit. Das liegt an der majestätischen Sitzposition fast einen Meter über dem Asphalt, an dem respektvollen Abstand, den andere Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Dampfer wahren und an der gediegenen Bequemlichkeit aus fein gemaserten Hölzern und handschuhweichem Leder. Der Hybridantrieb bringt eine weitere Ruhe und Gelassenheit ins Spiel, denn nach Drücken des Startknopfes gibt es nur ein leichtes Zucken an den Digital-Zeigern des TFT-Displays, sonst nichts. Passagiere hatten aber noch nie Grund, sich über einen zu hohen Geräuschpegel zu beschweren!

 

Dass die Elektrifizierung keinen Verzicht auf Geländetauglichkeit mit sich bringt, ist für Range Rover Ehrensache. Für jeden Testfahrer ist es eine Genugtuung, für diesen Wagen eine echte Herausforderung zu finden...

 

Im Zusammenspiel von Straßenfahrten und naturbelassenem Terrain kam der Testwagen auf einen Verbrauch von 8,5 Litern je 100 Kilometer. Obwohl es über dem Prospektwert liegt, ist es ein vorzügliches Ergebnis. Warum? Einerseits bevorzugen Messmethode sowie Berechnung nach EU-Norm Hybrid-Fahrzeuge gegenüber konventionellen Antrieben. Auf der anderen Seite war hier ein Blech-Bollwerk unterwegs, das gut und gern doppelt so viel wiegt wie eine Kompakt-Limousine. Fraglich ist nur, ob der Kunde den Mehrpreis von rund 14.000 Euro gegenüber dem V8-Diesel durch den Verbrauchsvorteil wieder hereinfahren kann. Aber ein besseres Öko-Gewissen ist heute auch schon was wert... (ampnet/SW)