Renault Symbioz:


Als Idee einer harmonischen Zusammenführung von Mobilitäts- und Wohnwelten präsentierte Renault das Projekt „Symbioz“ auf der IAA. Inzwischen ist das verwegen gestylte Konzept zum Prototyp gereift, der zwar Unterschiede zum Messe-Schaustück aufweist, dafür unauffällig selbstständig und elektrisch fährt.

Renault Symbioz

Es ist beruhigend: Gegen die Wirkungen bestimmter Naturereignisse ist hochentwickelte elektronische Sensorik genau so wenig gefeit wie die menschliche Fahrtüchtigkeit. Dichter Nebel veranschaulichte die noch geltenden Grenzen autonomen Fahrens. „Solche Bedingungen hatten wir bei unseren Testfahrten bisher nicht“, so Projektleiter Mathieu Lips.

 

Dabei steuerte die auf kamera- und radargestützte Informationen des Symbioz zunächst in die korrekte Richtung: Das erkannte Ziel, was unter normalen Umständen ein langsameres Auto gewesen wäre und nicht eine Zusammenballung von Wasserdampfpartikeln in der Luft, soll nach sanftem Schwung auf der linken Spur überholt werden. Das Head-up-Display zeigt in der scheinbar vor der Windschutzscheibe entstandenen 3D-Animation den bevorstehenden Fahrweg. Nur der Testingenieur auf dem Beifahrersitz unterbindet per Joystick die Aktion. Der Lehrer ist hier immer noch der Oberaufseher...

 

Äußerlich scheint der Symbioz wie ein Zwitter aus Talisman und Espace, mit dem Unterschied, dass fast alles an dem Einzelstück handgefertigt ist. Bei einer Länge von 4,92 Metern und einer Breite von 1,92 Metern verfügt der Prototyp über die Maße einer gehobenen Limousine. Seine Höhe von 1,44 Metern entspricht dem Mégane. Der Radstand von 3,07 Metern bildet die Grundlage für ein Raumangebot auf Oberklasseniveau. Der Verzicht auf Details wie Heckfenster, Außenspiegel (ersetzt durch Kameras), Innenhebel zur Türöffnung oder einen Schalthebel geben dem Objekt ein futuristisches Ambiente. Diese Zukunft ist nach Mathieu Lips nicht mehr allzu fern. Zwar handele es sich ausdrücklich nicht um die Vorstufe einer Serie, aber man will in 5 Jahren soweit sein, einen zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr möglichen Pkw dieser Art zu stellen.

 

Die Daten versprechen hier ein zwischen entspannter Gelassenheit und expressiver Dynamik changierendes Fahrerlebnis. Die direkt zwischen den Achsen montierte Leistungsbatterie hat eine Kapazität von 72 kWh und wiegt rund 500 Kilogramm. Das bringt das Auto inkl. der Leistungs- und Steuerungselektronik auf rund 2,2 Tonnen. Zwei E-Motoren an der Hinterachse leisten in dem Demonstrationsfahrzeug zusammen 680 PS, mobilisieren ein Maximaldrehmoment von 660 Nm und beschleunigen die Studie in 6,0 Sekunden von null auf 100 km/h. Die Dauerleistung liegt bei 490 PS mit einem Drehmoment von 550 Nm. Das Drehmoment lässt auf weniger griffiger Bahn ein zeitiges Eingreifen der Stabilitätssysteme erwarten. Laut Mathieu Lips gehen die Überlegungen für eine Serie in Richtung eines Motors pro Achse, so dass es ein Vierradantrieb wäre. Allradlenkung hat der Symbioz sowieso.

 

Zu den wenigen vertrauteren Merkmalen im Zukunfts-Renault gehört das Lenkrad. Die Form ist elliptisch. Tasten auf den Querspeichen aktivieren den autonomen Modus, die animierte Grafik im zentralen Display gibt Rückmeldung, dass es nun Zeit sei, das Lenkrad loszulassen und die Füße von den Pedalen zu nehmen. Inzwischen hat sich herausgestellt, den Tasten fehlt es an haptischer Rückmeldung. Zugriffsmöglichkeiten aufzugeben, gleichzeitig aber voll verantwortlich zu sein, ist ein Zustand, an den sich nach dem Willen der Industrie immer mehr Fahrer gewöhnen sollen. In diesem speziellen Fall bleibt der Lehrer auf dem Beifahrersitz der Rettungsanker. Unter diesen Umständen stellt auch die Fortsetzung der Fahrt mit einem VR-Helm auf dem Kopf keine Verschärfung der Situation mehr dar, denn die eingespielte virtuelle Realität stellt nur eine optisch verfremdete Autobahnfahrt dar, in die spürbare Lenkmanöver oder reale Erschütterungen durch Fahrbahnunebenheiten integriert sind.

 

Der selbstbewusste Renault-Konzern war sich nicht zu fein, um hier die Kompetenz einer Reihe von Spezialfirmen in das Projekt einzubinden. Die deutsche Firma IAV steuerte Antriebs- und Elektronik-Komponenten bei, TomTom eine hochauflösende Karte für die genaue Navigation, der französische Autobahnbetreiber Sanef wird die Fahrwege so vorbereiten, dass der Symbioz permanente Verbindung zur Datenbasis hat. Auch der südkoreanische Konzern LG ist mit an Bord, ebenso die Elektroniker von Devialet und UB-Soft. Genug Know-how!

 

Der Symbioz ist natürlich immer online, die Erkennung und Verarbeitung der von 36 Sensoren detektierten Daten zur Orientierung erfolgt alle 10 bis 14 Millisekunden neu. Steuerungsmöglichkeiten der Bordelektronik via Smartphone erscheinen da schon fast als alter Hut. Ist das Auto z.B mit 60 km/h unterwegs, beträgt die Datenfülle, die pro Meter erhoben und verarbeitet wird, mehr als 12 Megabyte. Kein Thema scheint derzeit die sichere Verwahrung dieser Daten zu sein. Es ist aber eine Frage...

 

Ein Ausflug im Symbioz hat nach einer Eingewöhnung den Charakter eines Taxi-Shuttles, auch für den Fahrer. (ampnet/SW)