Rückkehr auf die Rennstrecke.




Vor 110 Jahren wurde die Biscione, wie die Traditionsmarke Alfa Romeo in Italien in Anlehnung an die Schlange im bekannten Logo genannt wird, offiziell gegründet. Daher drehte sich im Jahr 2020 alles um die bewegte Geschichte der Marke aus Mailand. Ein Muss: Das neue Museo Storico, das große Werksmuseum von Alfa Romeo, im Mailänder Vorort Arese.

 

Alfa Romeo hatte 1950 und 1951 die ersten F1-Weltmeisterschaften für sich entschieden und sich dann aus der „Königsklasse“ zurückgezogen, um sich ausschließlich auf den Bau von Sportwagen zu konzentrieren. 1964 entschied Giuseppe Luraghi, damals Präsident von Alfa Romeo, die offizielle Rückkehr in den Motorsport. Um keine Zeit mit dem Aufbau eines eigenen Werksteams zu verlieren, wurde Autodelta aufgekauft. Die in Udine beheimatete Firma war bereits Partner von Alfa Romeo bei der Produktion des Modells TZ. Zusammen mit Autodelta kehrte Carlo Chiti, der bereits von 1952 bis 1957 für Alfa Romeo gearbeitet hatte, zur Marke zurück und übernahm die Leitung des offiziellen Teams.

 

Der Präsident beauftrage die Mannschaft mit der Neuentwicklung eines Rennwagens, der in der Sportwagen-WM und bei Bergrennen um Siege und Medienaufmerksamkeit fahren sollte. Noch im Jahr 1964 begannen die Arbeiten am Projekt Tipo 33. Mitte der 1960iger verlegte Autodelta den Firmensitz nach Settimo Milanese in der Nähe von Mailand. Damit reduzierte sich die Distanz zum Alfa Romeo Werk in Portello, primär zur Teststrecke in Balocco an der Autobahn von Mailand direkt nach Turin.

 

Alfa Romeo konstruierte zunächst den tragenden Rahmen für den Tipo 33, das erste Exemplar wurde 1965 an Autodelta geliefert. Der Rahmen bestand aus  H-förmig miteinander verschweißten Röhren aus einer Alu-Legierung. Die Kraftstofftanks saßen an den seitlichen Hohlräumen. Ein aus Magnesium gefertigter Hilfsrahmen vorn nahm die Kühler, Lenkung, Pedale und die Vorderradaufhängungen auf. Motor und Getriebe waren in Längsrichtung hinter dem Cockpit montiert. Die Karosserie bestand aus Glasfaser, um das Fahrzeuggewicht auf 600 kg zu bringen, das vom Reglement geforderte Mindestgewicht. Also ein Leichtbau!

 

Fast 2 Jahre vergingen, bis der Tipo 33 fertig war. Für die ersten Tests installierten die Techniker einen 1,6-Liter Vierzylindermotor aus dem GT-Sportwagen TZ2. Parallel wurde ein neues Triebwerk entwickelt. Der V8 mit einem Hubraum von 2,0 Litern leistete anfangs 230 PS. Dieser Tipo 33 erhielt den Spitznahmen „Periscopica“, weil sein Überrollbügel über den Lufteinlass des Motors hinausragte und somit an das Periskop eines U-Boots erinnerte. Die ersehnte Premiere fand schließlich am 12. März 1967 bei einem Bergrennen im belgischen Fléron statt. Der Pilot war der Cheftester von Autodelta, Teodoro Zeccoli. Mit Sieg bestanden. Diese Erfolgsgeschichte gipfelte im Gewinn der Marken-WM 1975 und 1977.

 

Die Siege des Tipo 33 ermunterten Alfa Romeo, eine Straßenvariante zu entwickeln. Die Aufgabe, den sportlichen Charakter auf den „Stradale“ zu übertragen, wurde Franco Scaglione anvertraut. Dieser hatte zunächst bei Pinin Farina gearbeitet, dann bei Bertone und war später freiberuflich tätig. Franco Scaglione entwarf am Ende ein außergewöhnliches Auto. Die Motorabdeckung des Tipo 33 Stradale ließ sich als Ganzes öffnen, um den Zugang zu den mechanischen Komponenten zu erleichtern. Zum ersten Mal hatte ein Auto für die Straße vorn angeschlagene Flügeltüren. Sie sahen nicht nur spektakulär aus, sie erleichterten auch den Einstieg. Die beiden Hauptunterschiede zum Rennwagen waren die Verlängerung des Radstands um immerhin 10 cm sowie die Verwendung von Stahl anstatt von Alu für den beschriebenen H-förmigen Rahmen.

 

Der Motor des Tipo 33 Stradale war identisch mit der Rennversion. Die Spitze betrug 260 km/h. Den Sprint von null auf 100 km/h: 5,5 Sekunden.

 

Einem breiten Publikum stellte Alfa Romeo den neuen Tipo 33 Stradale auf dem Turiner Autosalon 1967 vor. Einem kleinen exklusiven Kreis war das Auto kurz vorher im Rahmen des Großen Preis von Italien am 10. September 1967 auf der Rennstrecke von Monza präsentiert worden. Beim Marktstart war der Tipo 33 Stradale der teuerste Sportwagen. Er kostete damals fast 10 Millionen italienische Lire. Nur 12 Exemplare mit dieser von Franco Scaglione gefertigten Karosserie gab es.

 

1967 hatte Alfa Romeo für die Weltausstellung im kanadischen Montreal den Auftrag bekommen, ein Fahrzeug stellvertretend für „Das höchste Streben des modernen Menschen im Bereich Automobil“ zu schaffen. Das von Bertone mitgestaltete Konzept stieß auf so viel Begeisterung, dass es zu einem Straßenfahrzeug weiter entwickelt wurde, das 1970 auf dem Genfer Autosalon seine Premiere feierte. Im Gegensatz zum Konzept der Expo wurde der fertige Alfa Romeo Montreal von einem V8-Motor angetrieben, der auf dem Triebwerk des Tipo 33 Stradale basierte. Im Sinne höherer Alltagstauglichkeit waren der Hubraum auf 2,6 Liter erhöht und gleichzeitig die Leistung auf 200 PS abgesenkt worden. Die Scheinwerfer versteckten sich bei einem Nicht-Gebrauch zum Teil hinter Lamellen-Lidern. Bis 1977 entstanden knapp 400 Exemplare. (ampnet/TX)