Supersportler mit Klappdach für den Alltag.




Kaum eine Marke repräsentiert die Baukunst italienischer Supersportler mehr als das Traditionsunternehmen Ferrari. Enzo Ferrari, dem Gründer der Marke aus Maranello, wurde eine gewisse Arroganz nachgesagt. Die aber nicht immer gerechtfertigt war. Denn die Marke gehörte eigentlich dem Kleinwagenbauer Fiat und damit heute Fiat Chrysler Automobiles.

 

Zwar wurde der Sportwagenhersteller offiziell aus dem FCA-Konzern ausgegliedert, doch deren Chef Sergio Marchionne ist auch heute noch stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Investmentgruppe Exor, die wiederum der Agnelli-Familie gehört. Und diese Familie hatte über viele Jahre bei Fiat das alleinige Sagen. Die Verknüpfung ist bis heute eng...

 

Die Ferraristi, die Fans und Freunde des Herstellers, haben selbst diese Beleidigung weggesteckt und den Glauben an ihre Marke nicht verloren. Und sie werden einmal mehr belohnt: Portofino heißt der Nachfolge des Cabrios California T. Der neue Sportwagen mit dem „springenden Pferd“ folgt den Wesenszügen seines Vorgängers, hat ein voll versenkbares Dach aus Alu und Glas, einen V8-Motor mit fast 4 Litern Hubraum, die Maschine vorn und den Antrieb hinten. Die Dimensionen dieser offenen Supersportler unterscheiden sich kaum. Der Ferrari Portofino ist 4,59 m lang, das sind rund 2 cm mehr, in der Breite ist er um 4 cm gewachsen. Trotzdem fehlen 80 kg zum Vorgänger. Nur 1.664 kg bei mehr Leistung.

 

Der V8 mit 3,9 Liter Hubraum liefert 600 PS, 40 PS mehr als bisher. Der Leistungsgewinn rührt von neuen Kolben und Pleuel her, sowie einem neu abgestimmten Motormanagement. Die optimierte Luftführung für eine bessere Beatmung stärkt den recht willigen Achtzylinder zusätzlich, gerade Ansaugwege und ein Ladeluftkühler mit kräftigerer Wirkung leitet dem Turbolader kältere und damit dichtere Luft zu. Seine Spitzenleistung liefert der V8 bei stolzen 7.500 Umdrehungen, sein max. Drehmoment von 760 Nm liegt bei 3.000 bis 5.250 U/min an. Die Kraftübertragung zur Kardanwelle erledigt ein automatisches Doppelkupplungsgetriebe, über die Schaltwippen hinter dem Lenkrad kann der Fahrer manuell eingreifen.

 

Am kleinen mit Leder und Karbon ummantelten Lenkrad geht es eng zu. Nicht nur der rote Startknopf sowie die Justierung des elektronischen Fahrwerks müssen dort unterkommen, auch die verschiedensten Modi lassen sich von hier aus einstellen. „Comfort“ und „Sport“ sind wählbar, außerdem kann das ESP im „Performance“-Modus abgeschaltet werden, eine Übung aber, die nur überaus talentierte oder mutige Chauffeure bestehen wollen. Denn der Portofino sieht zwar elegant und entspannt aus, doch die Fahrleistungen liegen jenseits dessen, was Wagenlenker oftmals zu beherrschen vermögen. 3,5 Sekunden vergehen beim Sprint von 0 auf 100 km/h und 320 km/h schafft der Portofino als Spitzentempo.

 

Der Ferrari Portofino selbst gibt sich keine Blöße, offenbart eher Defizite des Menschen am Volant. Hohe Kurvengeschwindigkeiten schaffen auch unerfahrene Fahrer, es gilt das Lenkrad festzuhalten und die Biegungen mit harmonischem Schwung zu nehmen. Leichtfüßig geht der Ferrari um die Ecken, die Präzision der Lenkung beeindruckt. Korrekturen genügen, um den Kurs trotz unebener Fahrbahn zu halten, die Rückmeldung vom Traktionszustand ist unentwegt spürbar. Das Fahrwerk passt sich dem Straßenzustand an, wer es übertreibt, wird vom ESP eingebremst. Das ist nicht immer komfortabel, schützt aber vor kostspieligen Ausrutschern. Die Federung gibt im Komfortmodus gerne den Gentleman, die Bremsen mit ihren Karbon-Keramik-Scheiben tun das auch. Zupacken können sie!

 

Fehlt noch der Verbrauch: Es ist ein Ferrari V8-Motor mit geilem Sound!

 

Ein Cabrio kauft, wer gerne offen fährt. Und dies ist im Portofino ein sehr schönes Erlebnis, auch wenn das Windschott besser sein könnte. Kühle Temperaturen sind ebenfalls ein Hinderungsgrund, das Aluminiumdach elektrisch zu öffnen, wärmende Gebläse für den Nacken wie bei anderen Herstellern gibt es nicht. Immerhin gelingt das Öffnen oder Schließen bis 40 km/h in 14 Sekunden. Gefaltet verschwindet das Dach dann hinter den beiden Rücksitzen und mindert das mit 292 Liter ohnehin knappe Kofferraumvolumen nochmal kräftig. Trotzdem passen z.B. die Ski rein, die umklappbare Durchreiche im Fond erlaubt Sperrgepäcktransport….

 

Eleganz mit Sportlichkeit will der Portofino auch formal vereinen. Seine Gestalt ist deswegen markant, aber nicht aufdringlich, eindrucksvoll und doch nicht aufgesetzt. Die Lufteinlässe vorne sind geschickt hinter dem Kühlergrill verborgen, nur die großen Luftaustrittskanäle, die sich vorne hinter den 20 Zoll großen Leichtmetall-Schmiederädern in die Flanken des Cabrios graben, wirken martialisch. Innen geht es abgesehen vom Volant im Formel1-Design eher gediegen zu. Der große Monitor in der Mittelkonsole, mit dem sich die Infotainment-Anlage kontrollieren lässt, ist Stand der Innenarchitektur. Außergewöhnlich der zweite Bildschirm, der auf der Beifahrerseite den Copiloten informiert. Tempo, Drehzahl und vor allem die Querbeschleunigung werden auf Wunsch angezeigt. Der Portofino zeigt den Ferrari-Weg in die Zukunft. Weniger Asphaltbrüller und Burnoutmeister sollen die in Maranello entsandten Supersportler sein, sondern vielmehr athletische Vertreter der besseren Gesellschaft, die mit geschliffenen Manieren in jeder Arena bestehen können. (ampnet/TX)