Tesla Model S 85 Performance: E-Exzesse!


Nach langem Warten gab es das Tesla Model S auch in Deutschland. Nirgendwo werden so hohe Geschwindigkeiten gefahren. Nirgendwo sind die Kunden so qualitätsverwöhnt und fordernd. Tesla gibt sich aber selbstbewusst, Chef Elon Musk kündigt gar ein „Autobahnpaket“ an und stellt in Aussicht, die bei 215 km/h abgeregelte Spitze zu erweitern.

Tesla Model S 85 Performance

Beim Design bleibt die große Revolution aus. Nachdem Tesla zunächst die Dienste von Henrik Fisker in Anspruch genommen hatte, holt man am Ende den früheren GM- und Mazda-Designer Franz von Holzhausen, der einen gefälligen, jedoch absolut keinen bahnbrechenden Entwurf lieferte. Das Tesla Model S ist leider nur konventionell, die Frontmaske simuliert überflüssigerweise einen Kühlergrill.

 

Immerhin bietet die Karosserie praktische Vorzüge. Neben einem großen hinteren Kofferraum, in dem optional eine dritte, nach hinten weisende Sitzbank für kleine Kinder Platz findet, bietet das Model S auch unter der vorderen Haube Platz für Gepäck. Ein weiteres Aha-Erlebnis bietet sich beim Öffnen der Türen: Die bündigen Griffe fahren elektrisch aus. Das luftige und geräumige Interieur vermittelt einen zwiespältigen Eindruck. Die Sitze sind ausreichend komfortabel und straff, die Armauflagen hart wie ein Holzbrett, und die wenigen Schalter sowie Hebel entstammen allzu offensichtlich dem Baukasten von Daimler. Anstelle einer gestylten Tunnelkonsole verfügt das Model S gleichsam über einen Graben, der links und rechts durch Raumteiler abgegrenzt wird. Charme? Nein!

 

Haupterrungenschaft und der optische Gravitationspunkt ist der zentral angeordnete, berührungsempfindliche TFT-Bildschirm mit 17 Zoll. Nur hier lassen sich praktisch alle Funktionen ansteuern; die Bedienlogik ist von modernen Tablets und Smartphones inspiriert. Die Menüstruktur ist recht übersichtlich, die graphische Aufbereitung ist sehr modern. Doch auch sicherheitsrelevante Funktionen verstecken sich in Untermenüs; ohne das große Display ist das Model S schlechthin nicht zu bedienen. Ein paar zusätzliche Knöpfe wären schöner.

 

Um fahren zu können, muss nach dem Einsteigen nur noch der Gang eingelegt werden; der billig wirkende Plastikschlüssel kann in der Tasche bleiben. Mit diesem betont lakonischen Vorgang grenzt sich Tesla von anderen Autoherstellern ab, die den Startvorgang per obligatorischem Tastendruck und hochfahrendem Bildschirm richtig fett inszenieren.

 

Die Kraft des Model S bringt manchen Skeptiker zum Verstummen. Für Vortrieb stehen 421 PS und 600 Nm Drehmoment bereit, die vom Start weg zur Verfügung stehen. Die Fahrleistungen sind überzeugend: Trotz über 2 Tonnen Leergewicht ist der Sprint von 0 auf 100 km/h in gut 4,5 Sekunden erledigt, danach geht e bis 215 km/h weiter.

 

Auf der Landstraße überzeugt der Tesla. Trotz seiner hohen Masse wirkt der Hecktriebler aus Kalifornien immer agil; die Lenkung ist in jedem Fall ausreichend präzise. Im Extremfall schwenkt das Heck aus, wird jedoch von der Stabilitätskontrolle zuverlässig eingefangen. Und dieser Antrieb wird von den normalen Landstraßentempi nicht überfordert, so dass praktisch immer Leistung im wahren Überfluss zur Verfügung steht.

 

Die großen Akkus sorgen für eine ungewöhnlich hohe Reichweite; Tesla gibt 502 Kilometer an, basierend auf dem äußerst optimistischen ECE-Zyklus, in dem 18,1 kWh Energieverbrauch pro 100 Kilometer ermittelt werden. Es ist uns tatsächlich gelungen, diesen Wert über eine Strecke von rund 350 Kilometern exakt zu erreichen, wobei sich die 421 PS US-Limo aber als veritables Verkehrshindernis profilierte. Scharfe Fahrweise treibt den Energieverbrauch auf über das doppelte; unser höchster Wert lag im Mittel über eine Distanz von 140 Kilometern bei 38,7 kWh pro 100 Kilometer. Die Reichweite sinkt so auf 250 Kilometer.

 

Für die meisten Kunden dürfte das in Ordnung gehen, denn solange E-Autos eine äußerst exotische Erscheinung sind, genießen sie zahlreiche Privilegien. und dazu gehört die Möglichkeit, die Batterien kostenlos oder zu subventionierten Preisen nachzuladen. Tesla selbst hat in ein System von 480 Volt-Schnelladesäulen investiert, mit dem die Akkus innerhalb von 40 Minuten auf 80 Prozent Ladezustand gebracht werden können. Die Kosten für die unbegrenzte Nutzung dieses „Supercharger“-Systems liegen für die Einstiegsvariante bei gut 2.100 Euro; beim getesteten Typ P85+ ist sie im Preis inbegriffen. An der heimischen Steckdose dauert das Nachladen allerdings weitaus länger, bis zu 30 Stunden und mehr... Und die Emissionen? Die entstehen weit weg, in einem Kraftwerk.

 

In der spartanischen Basis kostet das Tesla Model S ab 65.740 Euro; das Tesla Modell P85 mit 421 PS kostet ab 87.600 Euro, und das große Performance-Plus-Paket erfordert weitere Extras, sodass der Preis erst ab 103.940 Euro startet. Tesla ist kein Schnäppchen! (ampnet/SW)