Von höherer Warte.




Mit der S-Klasse von Mercedes dürfte sich niemand ins Gelände trauen. Wenn doch, dann heißt der Untersatz aber GLS. Also die Kombination aus Offroad-Kompetenz und Luxusanspruch. Und unter der Haube des in den USA gebauten SUV schlägt ein V8. Nicht nur dies macht den GLS 500 4Matic hierzulande zu einer auffälligen Erscheinung.

 

Das überarbeitete Spitzenmodell der Allrad-Garde mit dem Stern wartet mit einer geänderten Front und neuen Scheinwerfern auf, der mächtige Grill gebietet Respekt, Haube und Schürze sind stärker akzentuiert als beim Vorgänger. Aus dem GL wurde nach der Marken-Nomenklatur ein GLS, das Heck wurde ebenfalls leicht aufgefrischt. Das Konzept blieb gleich: Gediegener Luxus paart sich mit ganzer Geländeausstattung.

 

Mehr als bei anderen Marken und Modellen entscheiden sich deutsche Kunden beim GLS für das Echte, das Amerikanische. „Nur“ 80 Prozent der dieses Jahr neu zugelassenen Fahrzeuge im Bundesgebiet waren mit Diesel ausgestattet. Der Testwagen repräsentiert mit seinem 4,7 Liter großen V8-Motor das Nonplusultra der Baureihe, bringt 455 PS an die Räder. Stärker ist nur noch die AMG-Version, die aus 5,5 Litern schöpft. Wer die Optik des Haustuners schätzt, aber keine 557 PS braucht, kann sich für 4.343 Euro ein AMG-Exterieur-Paket bestellen...

 

Hat man Platz genommen, kann man sich der erhabenen Atmosphäre des Innenraums nur schwer entziehen. Das Verkehrsgeschehen wird nun von höherer Warte aus betrachtet. Seinen Sonderstatus untermauert der GLS durch die serienmäßige dritte Sitzreihe, nur mit Einzelsitzen.

 

Elektrische Stellmotoren dürften einen ordentlichen Teil zu den 2.540 kg beigetragen haben, die das Testwagen auf die Waage brachte. Die dritte und zweite Sitzreihe wird per Tastendruck in Bewegung gebracht, wie u.a. auch die Heckklappe, die Zuzieh-Automatik für die Türen, Lehnen, Kopfstützen u.v.m. Sehr positiv macht sich der Falt-Mechanismus für die Plätze der zweiten Reihe bemerkbar. Dank dieses raffinierten Prinzips sind die Sitze sehr einfach und ohne Verrenkungen erreichbar. Eine Gesamtbreite von 1,05 m steht zur Verfügung, so dass auch dort nicht auf generell bequemes Beförderung verzichtet zu werden braucht. Die Beinfreiheit kann sich durchaus sehen lassen. Und ist man mal zu zweit unterwegs, bleiben stolze 2,3 Kubikmeter für das Gepäck.

 

Während in anderen Modellreihen TFT-Bildschirme die Rundinstrumente bekanntlich längst ersetzt haben, erfreut das GLS-Cockpit noch das Herz des Traditionalisten. Unter der belederten Kappe lugen die in metallisch schimmernde Röhren verpackte Analog-Uhren hervor, die Konsole wird dominiert Vom Navi-Bildschirm, über den auch die übrigen Funktionen vom Geländemodus bis zum Massagesitz gesteuert werden können.

 

Doch nicht alles, was gut und normalerweise teuer ist, muss beim GLS extra bezahlt werden. Glasschiebedach, 19 Zoll-Alufelgen, Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer, Luftfederung, Bergabfahrkontrolle, 3-Zonen-Klimaautomatik sowie Dachreling gibt es hier inklusive, ebenso die LED-Scheinwerfer mit Fernlicht-Automatik, Licht-, Regen- und Überrollsensor, Müdigkeitserkennung sowie Knie-Airbag für den Fahrer...

 

Ein feines Stück Technik ist der V8-Motor, der mittels Turboaufladung seine 700 Nm schon ab 1.800 Umdrehungen zur Verfügung stellt. Er gibt sich ganz und gar unamerikanisch, ist eher dezent und schnurrt, wenn man ihn nicht allzu sehr mit dem Gaspedal reizt, sehr gemütlich vor sich hin. Erhabene Sitzposition und minimale Fahrgeräusche entkoppeln die Passagiere von der Wirklichkeit und man tut gut daran, stets den Tacho im Auge zu behalten. Meistens ist man schneller als man denkt. Dass der Motor auch enorme Gewalten entfesseln kann, merkt man im Sport-Modus, wenn er den Koloss in wenig mehr als 5 Sekunden von 0 auf 100 km/h stürmen lässt. Dass man mit derartigen Übungen auch einen 100 Liter Tank zügig leeren kann, versteht sich wohl komplett von selbst.

 

Aber mit so einer Edel-Kalesche kann man sich doch nicht ins Gelände wagen? Kann man! Soll man sogar, denn wozu hat Mercedes dem GLS all das mitgegeben, was einen gewöhnlichen Allradler von einem echten Offroader unterscheidet? Im Nu pumpt die Luftfederung die Karosse auf eine Bodenfreiheit von 306 mm, schon knackt das Kleinholz, spritzt der Sand. Natürlich ist das 9-Gang-Getriebe mit Untersetzung fahrbar, fast jede Steigung verliert ihren Schrecken, und wenn es nass wird, helfen 600 mm Wattiefe. Zugegeben: Otto-Normalfahrer braucht so etwas eher selten, aber wie würden die Ami sagen? „Nice to have“.

 

Kein Zweifel, dieser GLS spielt in der Champions League der Luxus-SUV mit, und zwar als heißer Titelanwärter. Vielseitigkeit, Platzangebot, Offroad-Qualitäten und Komfort; alles ist im Übermaß vorhanden, ernst zu nehmende Schwächen sucht man vergebens. Doch Obacht: Sich für diesen Mercedes zu entscheiden, konnte unerwartete Folgekosten nach sich ziehen: Der GLS passt nicht in jede europäische Garage. (ampnet/TX)