Walter Röhrl: „Ein Auto ohne Allrad ist eine Notlösung“.




Kaum jemand kennt den Porsche 911 Turbo so gut wie Walter Röhrl. Vor 41 Jahren kaufte die deutsche Rallye-Legende seinen allerersten eigenen und auch sein erster Dienstwagen bei Porsche war ein Turbo. Im Porsche Experience Center direkt am Hockenheimring lässt „der Lange“ verschiedene Generationen des Topmodells aus Zuffenhausen einmal für die Fans Revue passieren. Mit seit dem 7. März 75 Jahren!

 

Herr Röhrl, was fällt Ihnen zur Generation 930 ein?

 

Walter Röhrl: Der Urvater aller Turbos war eine absolut technische Revolution im Serienautomobilbau. Die erste Variante mit 260 PS und 4-Gang-Getriebe war in ihrer Leistungsentfaltung noch sehr spitz, aber gerade deshalb für alle Könner eine wunderbare Herausforderung. Auch optisch war die Generation 930 ein Traum, die ausgestellten Kotflügel in Kombination mit den Fuchsfelgen, dazu noch der große Heckspoiler. Keine 4 Jahre nach dem offiziellen Marktstart habe ich mir 1979 diesen ganz persönlichen Traum erfüllt und meinen ersten eigenen 911 Turbo gekauft!

 

Kommen wir zur Generation 964 …

 

Walter Röhrl: Der Nachfolger hatte weiterhin 3.3 Liter Hubraum wie auch die letzten Varianten der 930er-Modelle. Optisch war der Wagen weiterhin wunderschön, die breiten Kotflügel mit hohen Scheinwerfern und dem mächtigen Flügel. Technisch haben die neuen Modelle wie auch der 964 dann mit ABS und Servolenkung für deutlich mehr Fahrsicherheit gesorgt. Allerdings waren die Motoren in der ersten Variante etwas angestaubt. Längsdynamisch war es kein großer Schritt, weshalb die frühen Modelle heute eher zu den unbeliebteren Modellen gehören. Mit dem Turbo 3.6 hat sich das allerdings grundlegend geändert, die 360 PS starke Variante mit dem grundlegend neu konstruierten Motor ist auch heute noch ein Traumauto.

 

War die Generation 993 dann gleich ein Schritt?

 

Walter Röhrl: Der nächste große Schritt: Allrad. Ich glaube, dass ich hier nicht unwesentlich beteiligt war mit meinem Ausspruch: „Ein Auto ohne Allrad ist eine Notlösung“. In der Entwicklung habe ich schon früh gesagt, dass man kein Auto mit 408 PS ohne Allrad machen könne. Wir haben dann in vielen Versuchen die neue Viscokupplung mit der variablen Kraftverteilung nach vorne vorgezogen. Gerade in Kombination mit der Weissach-Hinterachse und der harmonischen Kraftentfaltung des Biturbos war der 993 Turbo einfach wunderbar zu fahren, fahrdynamisch kaum zu schlagen.

 

Und schon sind wir bei der Generation 996 … 

 

Walter Röhrl: Mit der neuen Generation kam auch der nächste Meilenstein in der Entwicklung, die Wasserkühlung. Technisch war das Auto hervorragend, selbst die aus dem Rennsport stammende PCCB-Keramikbremsanlage war nun in der Serie erhältlich. Der 996 war mit Abstand der beste Turbo, den es bis dahin gegeben hatte. Nur optisch wurden die neuen Autos wenig geliebt, viele bemängelten die Spiegelei-Scheinwerfer. Meiner Meinung nach ist das jedoch völlig unberechtigt. Für mich ist der 996 Turbo, gerade auch aus heutiger Sicht, vielleicht der Geheimtipp. Ein immer noch sehr schneller und komplett alltagstauglicher Sportwagen zu einem vernünftigen Preis. Allerdings würde ich persönlich das Schaltgetriebe vorziehen. Das mit dem 996 erstmals in einem Turbo eingeführte Tiptronic-Automatikgetriebe nimmt den 420 PS deutlich an Schärfe.

 

Was waren die Errungenschaften der Generation 997?

 

Walter Röhrl: Mit der Generation 997 hat man vor allem optisch einen Schritt in die Neuzeit gemacht. Die Autos sind auch heute kaum gealtert und verkörpern immer noch die Ästhetik eines modernen Porsche. Technisch hatte man mit dem 997.2 Turbo die einst magische Grenze von 500 PS erreicht, dazu erstmals das PDK-Doppelkupplungsgetriebe eingesetzt. Der Wagen war damit wunderbar zu fahren. Auch ich kann bis heute nichts Negatives finden und sitze immer wieder gerne am Lenkrad eines 997 Turbo. Das Gefühl in der Abstimmung von Lenkung, Fahrwerk und Bremse ist herrlich analog.

 

Mit der Generation 991 fand auch ein Paradigmenwechsel statt. Gelungen?

 

Walter Röhrl: Die nochmals breiteren Kotflügel erinnern fast schon an die Ur-Turbos. Dazu die verfeinerte Kraftverteilung des Allradantriebs, die Einführung der Hinterachslenkung und natürlich die nochmals gestiegene Leistung: Die 991 Turbo-Modelle legen die fahrdynamische Messlatte so hoch, dass man kaum glauben kann, hier noch etwas verbessern zu können. Das Ansprechverhalten, die Balance und dazu die unbändige Kraft der Motoren, es ist ein Wahnsinn.

 

Die Generation 991 erfüllte offensichtlich alle Wünsche. Konnte die Generation 992 überhaupt einen neuen Standard setzen? 

 

Walter Röhrl: Hier bin ich ganz ehrlich: Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie man das Erlebnis der vorangegangenen Generation noch einmal steigern wollte. Doch wenn ich heute in Hockenheim mit dem 992 Turbo fahre, dann ist es einfach unglaublich. Er hat noch einmal in so vielen Dimensionen zugelegt, dass es mich fast sprachlos macht. Der 992 Turbo bewegt sich auf Supersportwagenniveau und doch kannst Du jeden ans Lenkrad setzen, ohne Angst zu haben. Es gibt weder Übersteuern noch Untersteuern. Du bist einfach nur unfassbar schnell. Ich ziehe meinen Hut vor der Entwicklungsabteilung, denn die Talente, die dieses neue Auto vereint, waren vor ein paar Jahren schlicht unvorstellbar. Auch für mich! (Porsche/SW)