Weltstandard aus Stuttgart.




Hat die Oberklasse noch eine Zukunft? Diese Frage hat man sich bei Daimler schon lange nicht mehr gestellt, verrät Uwe Ernstberger, Leiter der großen Baureihen, im Gespräch. Noch im Auslauf hat man mehr S-Klassen verkauft als die jüngeren Audi A8 sowie BMW 7er zusammen. Eine erfreuliche Position für die Schwaben, die auch Verpflichtung ist...

 

Und dieser will man mit der neuesten S-Klasse in vollem Umfang gerecht werden; bei Antrieb, Komfort und Elektronik. Daher geht Daimler schon beim Motorenprogramm in die Vollen. Schon zur Fahrpräsentation gab es einen 3,0-Liter Sechszylinder, einen Diesel mit 2,9 Litern Hubraum und einen 4,0-Liter V8-Motor zu fahren. Alle mit 48 V Mildhybridisierung. Alternativ gibt es den Sechszylinder-Benziner auch als Plug-in-Hybrid mit größerem Akku und stärkerem E-Motor.

 

Damit ist das Motorenprogramm nur vorerst befriedet, in absehbarer Zeit wird es ein nochmals stärkeres 4,0-Liter V8-Aggregat von AMG geben, und es wird auch wieder einen V12-Motor geben, vermutlich nicht allein nur für die Maybach-Variante, sondern auch in der regulären S-Klasse.

 

Das wohl attraktivste Angebot stellt für Vielfahrer die leistungsstärkere Variante beim Diesel dar. Diese hört auf die Bezeichnung S 400 d, ist an den Allradantrieb zwangsgekoppelt und leistet 330 PS. Eindrucksvoller ist das max. Drehmoment von 700 Nm, das auf einem Plateau von 1.200 bis 3.200 U/min anliegt. Der recht ungewöhnlich kultivierte Selbstzünder wuchtet die S-Klasse in 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Spitze ist bei 250 km/h abgeregelt. Mit seiner hervorragenden Aerodynamik dürfte hier rein theoretisch viel mehr drin sein.

 

Egal welcher Fahrmodus gewählt wird: Die S-Klasse bleibt stabil auf der Fahrbahn, die große Limousine bleibt steif, die Seitenneigung hält sich in Grenzen. Alles bei höchstem Komfort. Es gibt einfach kein Auto, das sich derart leicht über solch lange Strecken pilotieren lässt und dazu so wenig Stress erzeugt wie diese Luxuslimousine. Dazu gehört auch, dass sie trotz ihrer tatsächlichen Abmessungen auf Landstraßen kompakt wirkt.

 

Vor Fahrer und Passagieren erstreckt sich eine Armaturentafel, die aus der Zukunft zu kommen scheint. Der kalte Stil der schrägen Flächen und großzügigen Verglasung wird temperiert durch hochwertiges Leder und edel verarbeitete Dekorleisten. Der PR-Text spricht von „revolutionärem Innenraum-Erlebnis im Spannungsfeld zwischen digitalem und analogem Luxus“, welches sich auch in den digitalen Welten manifestiert. Und auch das große Head-up-Display spielt in bisher ungekannter Perfektion mit eben diesen dreidimensionalen Elementen.

 

Und auch die Fondpassagiere kommen in den Genuss eines modernen Infotainmentsystems. Waren die hinteren Bildschirme noch beim direkten Vorgänger irritierend langsam und in ihrer Funktionalität eingeschränkt, so wird jetzt perfekte Integration geliefert. Perfekt ist auch das optionale 4D-Hifi-System von Burmester: Über zwei Körperschallwandlern pro Sitz wird der Klang unmittelbar spürbar und so um eine Dimension erweitert.

 

Eine lästige Form des Klangs sollte sich die S-Klasse jedoch verkneifen: Den das duzende Infotainmentsystem hinterlässt. Diesen jugendlichen Duktus mag man einem Smart oder einer A-Klasse noch nachsehen; in der automobilen Topklasse ist es deplatziert.

 

Die Liste der Innovationen umfasst optional Digital Light, das Symbole und Markierungen direkt auf die Straße projizieren kann. Und auch für autonome Fahrfunktionen ist die neue S-Klasse vorbereitet: Man kann bereits sehr viel mehr als die Behörden erlauben. So weit die gesamte Technik der S-Klasse nach vorne weist, so diskret nimmt sich die von Robert Lesnik gezeichnete Karosserie aus. Der klassische Kühler ist neu interpretiert, die Scheinwerfer und Rückleuchten wirken zurückhaltend, die Linie zeichnet sich durch pure Eleganz anstatt durch jenes protzige Dominanzgehabe aus, das Fahrzeuge anderer Hersteller charakterisiert.

 

Übrigens gibt es die S-Klasse weiterhin mit drei Radständen: Die kurze S-Klasse ist ein Bekenntnis zu Europa, der lange Radstand gilt vor allem in Asien sowie Nordamerika als Standard, und dann gibt es auch eine nochmals etwas längere Maybach-Version.

 

Was es nicht geben wird, ist eine vollelektrische S-Klasse. Denn hier hat Daimler andere Pläne: Die Limousine EQS übernimmt diesen Part. Eine Herausforderung, der die Konkurrenz auf absehbare Zeit kaum gerecht werden dürfte. Denn sie hat ab sofort schon alle Hände voll zu tun, allein  nur auf das Niveau der ganz regulären S-Klasse aufzuschließen. (ampnet/TX)