Werden Reisemobile verbannt?


Wer ein Reisemobil gekauft hat oder eins kaufen will, kommt am Diesel nicht vorbei. Das verunsichert die Kunden, falls die Kommunen zukünftig sogar Fahrverbote wegen überhöhter Schadstoffbelastung in Städten verhängen sollten. Daniel Onggowinarso, CIVD-Geschäftsführer, und Martin Brandt, Erwin Hymer Group, gaben dazu nun Auskunft.

Freizeitmobile

Zögern potenzielle Kunden bei der Anschaffung eines Reisemobils?

 

Martin Brandt: „Ein großer Einfluss von drohenden Fahrverboten auf den Reisemobil-Markt lässt sich nicht feststellen, im Gegenteil: Trotz der seit Jahren intensiv geführten Debatte um den Diesel hat die Erwin Hymer Group allein im Geschäftsjahr 2016/17 ein Absatzplus von 38 Prozent erreicht, übertrifft damit den Markt, der in dem Zeitraum um 20 Prozent gewachsen ist. Derzeit sind noch keine gesetzlichen Regelungen für Plaketten oder andere Kriterien absehbar. Unsere aktuellen Fahrzeuge mit Euro6b sind aber von den momentan beabsichtigten Fahrverboten wie etwa in Hamburg ausgenommen. Wir gehen davon aus, dass die neueren Fahrzeuge auch den künftigen Anforderungen entsprechen“.

 

Daniel Onggowinarso: „Der Blick auf die Neuzulassungszahlen in den letzten Monaten zeigt, dass sich die Thematik bisher überhaupt nicht auf das Wachstum ausgewirkt hat. Der deutsche Reisemobilmarkt wächst mit unvermindertem Tempo. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht Fahrverbote erst kürzlich für grundsätzlich zulässig erklärt, diese müssen aber verhältnismäßig sein. Es bleibt abzuwarten, wie die Kommunen mit diesem Urteil umgehen. Die aktuell sehr vielschichtige Diskussion ist noch in vollem Gange. Fahrverbote sind ultima ratio, da die Kommunen nicht verpflichtet sind, diese einzuführen. Für den Reisemobiltourismus sehen wir keine nachteiligen Effekte, da Fahrverbote, wenn überhaupt, wohl aktuell örtlich und zeitlich begrenzt in Städten realisierbar sind“.

 

Wie könnte man entgegensteuern?

 

Daniel Onggowinarso: „Der CIVD sucht das Gespräch mit der Regierung sowie den Städten und Kommunen und ruft diese auf, alle weiteren verfügbaren Optionen zur Schadstoffreduzierung voll auszuschöpfen, um Fahrverbote zu vermeiden. Dazu zählen wir Infrastrukturmaßnahmen, Verkehrslenkung und Förderungen des ÖNPV. Darüber hinaus ist für uns von besonderer Wichtigkeit, dass die berechtigten Interessen von Anwohnern in möglichen Fahrverbotszonen gewahrt bleiben und soziale Härten vermieden werden. Betroffene Reisemobilbesitzer müssen darauf vertrauen können, dass sie ihre Fahrzeuge auch in Zukunft weiter uneingeschränkt nutzen können“.

 

Martin Brandt: „Weil Reisemobile primär für Urlaubsfahrten und nicht in den Städten genutzt werden, sind sie von lokal und zeitlich begrenzten Fahrverboten in Ballungszentren kaum betroffen. Das hat die Erfahrung mit den vor über 10 Jahren eingeführten Umweltplaketten gezeigt. Die damals eingerichteten Umweltzonen werden bei der Urlaubsplanung entsprechend berücksichtigt, zumal Innenstädte für die Reisemobilisten ohnehin keine große Anziehungskraft besitzen. Ähnliches beobachten wir auch in Frankreich, wo seit dem Jahr 2017 in einigen Großstädten Umweltzonen ausgewiesen sind, für die man eine Crit’Air-Vignette haben muss. Reisemobilisten suchen das Naturerlebnis und nutzen als Basis für eine Städtetour die Peripherie“.

 

Wenn aber das Reisemobil nicht mehr bis zur eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus fahren darf?

 

Martin Brandt: „Unter Umständen sind Besitzer eines Reisemobils mit Euro5 oder schlechter betroffen, wenn sie in jenen Städten leben, für die Fahrverbote in Kraft treten könnten. Wir gehen davon aus, dass deren Verwaltungen differenziert vorgehen und den temporären Einsatz, also etwa die Fahrt aus der Stadt heraus in den Urlaub, nicht sanktionieren. Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom Februar 2018 ausdrücklich auf die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit verwiesen. Ausnahmeregelungen wären hier angemessen, weil Reisemobile in der Regel nicht täglich bewegt werden und städtisch kaum zur Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung beitragen. Die einheitliche Regelung würde schafft größtmögliche Transparenz“. (ampnet/TX)